Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

Beginn Sprachwahl


Beginn Inhaltsbereich

Beginn Navigator

Ende Navigator



Die Pioniere bekommen Recht

Energiegenossenschaft ADEV - 25 Jahre Jubiläum. Liestal, 11. Juni 2010.

Danke für die Einladung, ich komme grundsätzlich gerne nach Liestal. Doch mein letzter Besuch für das Uni Jubiläum führte zu Leserbriefen und zu parlamentarischen Vorstössen mit bohrenden Fragen an die Regierung.
Warum ich eingeladen worden sei? Wie meine Rede von der Gesamtregierung beurteilt werde?
Jedenfalls erkundigte ich mich, bevor ich kam, ob bereits ein Einreise- oder Redeverbot vorliege.
Aber die Regierung hat noch gar nicht geantwortet.

Wenn diese Untätigkeit weitergeht, führt das zu einer GPK oder puk.

Ich danke Ihnen also, dass Sie mich angesichts dieser turbulenten Umstände so friedlich empfangen.
Es war ja in dieser Gegend nicht immer friedlich:

Ich will gar nicht auf die Trennung Baselstadt und Basel Landschaft zurückgreifen (wo die Baselländler bekanntlich einen Baselstädter kochten und verspeist haben). Es genügt ein Blick 25 Jahre zurück:

Fast zur selben Zeit, als extreme AKW-Aktivisten einen Strommasten sprengten und deswegen landesweit für Schlagzeilen sorgten, wurde 1985 im Basler Jura ein Mast aufgestellt.
Abseits des medialen Scheinwerferlichts wurde die erste Windkraftanlage der Schweiz erstellt.

Und das zu einer Zeit, in der noch nicht so viele Menschen von Windkraft sprachen, wie heute. 

  • Die Ölkrise der 70er-Jahre war längst wieder vergessen, das Öl sprudelte und alle badeten sich darin in Sorglosigkeit.
  • Die Kernenergie boomte global und so floss auch der Strom in Strömen.
  • Am 21. Mai 1986 allerdings fand dieser Boom mit der Katastrophe von Tschernobyl ein jähes Ende.
  • Erneuerbare Energien war zu dieser Zeit eher ein Thema für Tüftler und Bastler.
  • Windräder waren in der Schweiz nur in Spielzeugabteilungen zu finden.

Liebe Jubilanten

Als am 2. März 1988 ein Extrablatt der „Basler Zeitung" das definitive Aus für Kaiseraugst meldete (Gesamtverlust: 1.3 Milliarden Franken an Planungskosten), versorgten Sie bereits über 100 Haushalte mit Strom aus Wind, Sonne und Blockheizkraftwerken.

Für alle kommt die Zeit der Verantwortung

„Wir wollen nicht immer nur dagegen sein: Gegen AKW, gegen Fernheizungen, gegen Endlager, sondern vielmehr dafür - für eine dezentrale Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen", ist auf einem der ersten Flugblätter der ADEV aus dem Sommer 1985 zu lesen.

Die ADEV hat ihre Wurzeln zwar auch in der Protest- und Bürgerbewegung von Kaiseraugst. Aus dem NEIN wuchs jedoch ein JA. Sie nahmen die Dinge selber in die Hand, weil Sie nicht nur kritisieren, sondern auch Verantwortung übernehmen wollten.

Vom NEIN zum JA. Mit dieser Haltung hat die ADEV viele inspiriert.

  • Die SP machte das JA zum Parteislogan.
  • Sogar die SVP sagt nicht mehr immer nur NEIN. Ob Abzockerinitiative oder Staatsvertrag, das Motto lautet immer öfters: Vom NEIN zum JA. Und manchmal kommt dann halt das Pendel so richtig in Schwung und alle warten gespannt, wo es inne hält.

Individueller Einsatz und systemische Politik

Ihre Arbeitsgemeinschaft ist demgegenüber kein Pendlerverein, sondern da ist Verantwortung gewachsen. 
Die Geschichte der ADEV ist ein Beispiel dafür, wie stark Eigeninitiative die institutionelle Politik beeinflussen kann. Wir kennen das aus anderen Bereichen. Auch der Sozialstaat hat seinen Anfang einst auf ähnliche Weise genommen.

Die Linderung von Elend und Armut begann mit Almosen und Spenden von karitativen Menschen und Organisationen. Ohne die Arbeit von Ordensschwestern und gemeinnützigen Gesellschaften wäre in unserem Land nie ein institutioneller Sozialstaat entstanden.

Die Geschichte zeigt, dass es immer beides braucht: Die freiwillige Einzelinitiative als auch die systemische Politik, also den staatlichen Rahmen.
Demokratie ist mehr als vier Mal im Jahr abstimmen. Demokratie heisst Einfluss ausüben, gestalten und Verantwortung übernehmen.

Dazu braucht es Bürgerinnen und Bürger, die freiwillig handeln und sich von Hindernissen nicht entmutigen lassen.

Das zeigt die Geschichte des Sozialstaates bzw. der Gemeinnützigkeit in den vergangenen 200 Jahren.

Nicht anders ist es bei der Umwelt- und Energiepolitik.

So wie Ordensschwestern und barmherzige Samariter Paten für den Sozialstaat waren, so sind die ADEV-Gründer die Hohepriester und Priesterinnen der Sonnenergie, der himmlischen Winde und einer nachhaltigen Energiepolitik.

Zwischen der ersten Windkraftanlage im Basler Jura und der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) lag ein weiter und steiniger Weg. Und wir sind noch lange nicht am Ziel.

Der lange Marsch durch Widerstände

Wir mussten in dieser Session zur Kenntnis nehmen, dass schöne Bekenntnisse zum Klimaschutz zwar mittlerweile zum guten Ton gehören - die Massnahmen, die es braucht, um diese Ziele zu erreichen, stossen aber auf mehr Widerstand denn je.

Der gesamte Verkehrsbereich bleibt von Reduktionsmassnahmen ausgenommen, sogar die subsidiäre CO2-Abgabe auf Treibstoffen wurde aus dem CO2-Gesetz gekippt.

Von solchen Rückschlägen dürfen wir uns jedoch nicht entmutigen lassen: Auch in der Sozialpolitik brauchte es immer mehrere Anläufe:    

  • Die Einführung der AHV im Jahre 1947 wurde an der Urne erst im dritten Anlauf angenommen.
  • Für eine Invalidenversicherung wurde über ein halbes Jahrhundert gekämpft.
  • Die obligatorische Mutterschaftsversicherung wurde 2004 eingeführt. Knapp 50 Jahre nachdem sie in die Verfassung aufgenommen wurde.

Die Förderung der erneuerbaren Energien ist jünger. Aber auch sie wurde von innovativen Bürgern und Gruppierungen in den vergangenen 25 Jahren Schritt um Schritt erkämpft.

Zu einer Zeit, als die Klimaveränderung und das Artensterben in Bundesbern und in der Arena noch keine Thema waren, wurden Organisationen wie der VCS (1979), Mobility (1987), oder eben ADEV (1985) gegründet.
Sie alle setzten sich einen nachhaltigen Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen zum Ziel.

Der Zeit voraus

Noch 2001 warnte beispielsweise die Wochenzeitung CASH vor Investitionen bei der ADEV: „All diese kleinen Ökofirmen haben das gleiche Grundproblem: Es geht zu lang, bis sich das Geschäft finanziell wirklich lohnt. Den meisten dieser Firmen wird vor dem Durchbruch das Kapital ausgehen".

Weil Sie an Ihre Idee geglaubt und sich nicht an kurzfristigen Gewinnen orientiert haben, ist jedoch das Gegenteil eingetreten. Aus der kleinen Ökofirma ist ein erfolgreiches Unternehmen geworden.
Dem Wirtschaftsblatt, das vor Kapitalanlagen bei ADEV warnte, ist dagegen vor drei Jahren der CASH endgültig ausgegangen.

Eine langfristig gesunde Umwelt und eine wirtschaftliche Energieproduktion schliessen sich also nicht aus.

Die Pioniere bekommen Recht

25 Jahre nachdem die erste Windkraftanlage der Schweiz gebaut wurde, sieht die Energielandschaft anders aus:

  • Die Strommonopole sind gefallen.
  • Der Wettbewerb zwingt unsere Stromversorger zu qualitativ guten Angeboten. Alle investieren deshalb - die einen mehr, die anderen weniger - in erneuerbare Energien.
  • Einspeisevergütungen haben die Produktion von Ökostrom angekurbelt, und zwar so sehr, dass die zur Verfügung stehenden Gelder mittlerweile knapp geworden sind.
  • Bis 2020 wollen wir den Anteil der erneuerbaren Energien um 50 % erhöhen.

Die ADEV wurde x-fach erfolgreich kopiert.
Sie ist einerseits die erste und grösste Genossenschaft im Bereich der erneuerbaren Energien. Das hat die Chefideologen des neuen SP Parteiprogramms dazu animiert, als Leitgesellschaftsform der Zukunft die Genossenschaft statt der AG zu propagieren. Wichtiger ist aber, was inhaltlich geschaffen wurde. Dies hat die offizielle Energiepolitik beeinflusst. Aus dieser Bewegung sind eine ganze Anzahl von Fachleuten und Parlamentariern hervorgegangen, welche die Architektur unserer Energiegesetzgebung ganz wesentlich mitgestaltet haben.

Ohne den politischen Einsatz zum Beispiel eines Ruedi Rechsteiner wäre die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) nicht ins Stromversorgungsgesetz aufgenommen worden.
Üblicherweise lobe ich nur Politiker, die zurückgetreten sind und bin dennoch froh, dass auch nach dem Rücktritt von Ruedi mit Eric Nussbaumer oder Beat Jans wieder Spezialisten der erneuerbaren Energien im Parlament vertreten sind. Eric hat schon mit der „Alternativen Bank" gezeigt, dass Alternativen nicht nur Hirngespinste, sondern reale Werte sind. Wir werden deshalb seine Hilfe auch in Zukunft brauchen.

Wir sind noch nicht am Ziel

Die Geschichte der vergangenen 25 Jahre hat den Leuten von der ADEV also Recht gegeben. Am Ziel sind wir aber deswegen noch lange nicht:

  • Auch 2010 fliesst das Öl immer noch in Strömen - und zerstört dabei in Florida ganze Fischgründe, Vogelpopulationen und Existenzen.
  • Auch 2010 gibt es immer noch Leute, die erneuerbare Energien unter dem Titel „rechnen statt träumen" ins Lächerliche ziehen (Avenir Suisse-Zeitung, Mai 2010)
  • Auch 2010 ist unser Energieverbrauch immer noch am Wachsen.
  • Wir stehen immer noch am Anfang des Zeitalters der erneuerbaren Energien.

Die ADEV und ihre Töchter im ganzen Land sind also keinesfalls überflüssig geworden.  Im Gegenteil: Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung wird es auch weiterhin unabhängige Organisationen und initiative Köpfe brauchen.
Wie Sie wissen, stösst auch die Förderung erneuerbarer Energien gerade auch bei Umweltorganisationen auf Widerstand. Gegen jede Windanlage, gegen jedes Kleinwasserkraftwerk gibt es aus Gründen des Natur- oder Landschaftsschutzes Einsprachen. Nicht zuletzt deshalb hat der Bundesrat mit seiner Viersäulenstrategie auch Grosskraftwerke, insbesondere Kernkraftwerke zu einer Option erklärt.
Es liegen drei Gesuche für je ein neues KKW vor, und die Branche drängt mich seit längerem bekannt zu geben, welches KKW ich bevorzuge. Ich habe dies bisher verweigert mit dem Hinweis, dass der Gesamtbundesrat dies zu gegebener Zeit tun werde. Doch glaube ich, es sei heute der Moment gekommen, meinen Favoriten offen zu benennen. Ich gehe von folgenden Kriterien aus:

  • Es soll zunächst derjenige Reaktor sein, der unfall- und strahlensicher ist.
  • Er sollte zudem wenn immer möglich über einen unbegrenzten Brennstoffvorrat verfügen.
  • Und er sollte weder Anschaffungs- noch Betriebskosten verursachen.

 

Dieses Atomkraftwerk existiert.

Die Sonne ist nichts anderes als ein gewaltiges Atomkraftwerk. Ihre Kernreaktionen produzieren jenen ungeheuren Energieausstoss, dem wir alles Leben zu verdanken haben. Dieser ausserirdische Kernreaktor hält alle irdischen Kreisläufe und damit auch uns am Laufen. Im Unterschied zu irdischen KKWs versorgt die Sonne alle Menschen und Völker der Erde. 
Mit unserer heutigen Energieversorgung brauchen wir das „energetische Kapital" auf, das uns von der Natur in Form von Erdöl, Erdgas und Kohle zur Verfügung gestellt wurde. Wenn wir uns jedoch auf die „Zinsen" beschränken, auf die Nutzung  der ununterbrochen neu zuströmenden Energien, Wasser, Wind und Sonne, können auch unsere Nachfahren noch davon zehren. Aber dazu braucht es den Erfindungsgeist, den Mut, wenigstens einen kleinen Teil dieser Energien zu nutzen, die letztlich seit Millionen von Jahren alle vom gleichen „Kernkraftwerk" im Mittelpunkt unseres Sonnensystems gespiesen werden (ohne dass nur der Hauch einer Lücke in Sicht wäre).

Sie hatten diesen Mut vor 25 Jahren als Pioniere zwischen Tannen im Basler Jura, als Sie noch wie Don Quichotte gegen Windmühlen kämpften.

Heute tun Sie es mit gleichem Enthusiasmus als Profis in Verwaltungsräten, Parlamenten, Beratungsstellen und als Aktionäre.
Die Sonne bringt es an den Tag und alles wird gut.

 

Zurück zur Übersicht Moritz Leuenberger
Zuletzt aktualisiert am: 11.06.2010


Ende Inhaltsbereich



Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK
info@gs-uvek.admin.ch | Rechtliches
http://www.uvek.admin.ch/dokumentation/00476/00477/01850/index.html?lang=de