Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

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Service public - die Strategie des Bundes

Referat anlässlich der Tagung "Öffentliche Dienstleistungen im Berggebiet" vom 23. November 2004 in Luzern

1. Der Service public-Bericht des Bundesrates

Am 23. Juni 2004 hat der Bundesrat dem Parlament seinen Bericht "Grundversorgung in der Infrastruktur (Service public)" unterbreitet. Dieser Bericht enthält eine Leistungsbilanz der heutigen Grundversorgung, stellt die kommenden Herausforderungen für die Grundversorgung dar und legt die Ziele und Leitsätze des Bundesrates für die zukünftige Politik fest.

Es ist bezeichnend für die gegenwärtige Hektik in Politik und Medien, dass dieser Bericht bisher öffentlich nicht diskutiert worden ist - obwohl der Service public zu den grossen Modethemen der letzten Jahre gehörte. Für uns ist allerdings Service public, oder präziser gesagt die Grundversorgung mit Infrastrukturgütern, kein Modethema, sondern eine Daueraufgabe. Die Grundversorgung hat drei Dimensionen:
  • Sie ist ein zentrales Element für die Lebensqualität der Bevölkerung.
  • Sie ist eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.
  • Und sie ist schliesslich ein wesentlicher Beitrag für den regionalen Zusammenhalt des Landes.

Die einzelnen Sektoren der Grundversorgung (Post, Telekommunikation, elektronische Medien, Strassen, öffentlicher Verkehr) sind in technologischer und wirtschaftlicher Hinsicht sehr unterschiedlich. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten zwischen diesen Sektoren, welche der Bericht des Bundesrates herausarbeitet. Im Folgenden möchte ich ein paar wichtige Ergebnisse des Berichtes herausgreifen.

Zur Leistungsbilanz der Grundversorgung
Die Grundversorgung im Infrastrukturbereich ist in den letzten Jahren durch grundlegende Reformen (Bahnreform, PTT-Reform) verändert worden. Diese Reformen waren mit grossen Erwartungen, aber auch mit ebenso grossen Befürchtungen verbunden. Im Bericht des Bundesrates wird eine systematische Leistungsbilanz der Grundversorgung in den verschiedenen Sektoren durchgeführt. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Die Schweiz verfügt im Infrastrukturbereich nach wie vor über eine flächendeckende und sichere Grundversorgung. Die Qualität der Leistungen ist im europäischen Vergleich sehr gut.
  • Die Effizienz der Grundsversorgung ist in den letzten Jahren erheblich verbessert worden, die Produktivität ist heute mit derjenigen in der privaten Wirtschaft praktisch vergleichbar.
  • Die Grundversorgung hat mit der technologischen Entwicklung Schritt gehalten, neue Produkte und Dienstleistungen werden flächendeckend angeboten (z.B. Mobiltelefonie, ISDN-Anschlüsse, elektronische Einzahlungen usw.).
  • Diese gute Leistungsbilanz konnte nur durch eine grundlegende Umstrukturierung der ehemaligen staatlichen Regiebetriebe erreicht werden, welche auch mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden war. Die öffentlichen und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen des Infrastruktursektors sind jedoch gestärkt aus dieser Umstrukturierung hervorgegangen. Sie sind wettbewerbsfähig und auf kommende technologische und wirtschaftliche Herausforderungen gut vorbereitet. Sie sind damit ein wichtiges Element des Wirtschaftsstandortes Schweiz.

Zukünftige Herausforderungen
Der Bericht skizziert im Einzelnen die Herausforderungen in den verschiedenen Sektoren der Grundversorgung. Zusammenfassend stehen wir vor folgenden vier Herausforderungen:
  • Der technologische Fortschritt führt zu neuen Dienstleistungen, macht bisherige Dienstleistungen obsolet und ermöglicht, traditionelle Dienstleistungen effizienter zu erbringen (z.B. elektronischer Postverkehr, Telefonie über das Internet).
  • Der gesellschaftliche Wandel führt zu neuen Bedürfnissen der Bevölkerung an die Grundversorgung.
  • Die weltweite Globalisierung und Liberalisierung verstärkt den Wettbewerbsdruck und führt auch zu einem Konzentrationsprozess in den Infrastrukturindustrien.
  • Die Finanzlage der öffentlichen Hand hat Auswirkungen auf die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, welche bestellt werden können.

Um auch längerfristig eine flächendeckende Grundversorgung von hoher Qualität zu gewährleisten, müssen wir frühzeitig auf diese Herausforderungen reagieren. Das starre Festhalten an den alten Strukturen ist auch in der Grundversorgung eine denkbar schlechte Politik.

Leitlinien des Bundesrates
Der Bundesrat hat im Bericht seine Leitlinien für die eine zukünftige Grundversorgungspolitik formuliert. Sie können in sechs Punkten zusammengefasst werden:

1. Oberste Zielsetzung ist auch in Zukunft eine flächendeckende, finanzierbare und sichere Grundversorgung in guter Qualität.

2. Die Dienstleistungen der Grundversorgung sollen so effizient wie möglich erbracht werden, was dauernde Produktivitätssteigerung voraussetzt.

3. Die Dienstleistungen der Grundversorgung sollen so weit wie möglich aus dem jeweiligen Sektor heraus finanziert werden. Im Bedarfsfalle sollen auch diejenigen Unternehmungen, welche keinen Beitrag an die Grundversorgung leisten, zur Finanzierung herangezogen werden. Wo die Dienstleistungen nicht vollumfänglich vom Sektor selber finanziert werden können, ist die Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen nach dem Bestellprinzip vorzusehen.

4. Die Entwicklung in der Europäischen Union wird laufend verfolgt. Der Bundesrat strebt - wo sachlich sinnvoll - Kompatibilität mit der EU an, behält sich aber vor, aus wichtigen Gründen von der EU abweichende Regelungen zu treffen.

5. Wettbewerbselemente sind ein wichtiges Instrument, um die Effizienz der Grundversorgung zu verbessern und die Qualität der Dienstleistungen zu steigern. Der Einsatz von Wettbewerbselementen muss jedoch im konkreten Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

6. Die Grundversorgung muss dauernd an neue Anforderungen und Bedürfnisse angepasst werden, wenn sie längerfristig ihre Aufgaben erfüllen soll. Weitere Reformen sind deshalb notwendig. Dabei will der Bundesrat bewusst schrittweise vorgehen. Verschiedene Beispiele im Ausland haben gezeigt, dass durch unüberlegte und zu hastige Reformschritte die Qualität der Grundversorgung gefährdet werden kann. Ein schrittweises Vorgehen ist allerdings nur möglich, wenn die notwendigen Reformen frühzeitig vorbereitet werden.

2. Grundversorgungspolitik und Berggebiet

Was bedeuten die Leitlinien des Bundesrates für das Berggebiet?

Die Grundversorgungspolitik des Bundes ist ein wichtiges Element einer ausgeglichenen regionalen Entwicklung. Sie kann weder den Neuen Finanzausgleich, noch die Regionalpolitik, noch die notwendigen Massnahmen der Kantone in ihrem Zuständigkeitsbereich ersetzen.

Der spezifische Beitrag der Grundversorgungspolitik des Bundes an die regionale Entwicklung besteht darin, dass auch in Zukunft qualitativ gute und sichere Infrastrukturleistungen flächendeckend und in allen Regionen des Landes gewährleistet werden. Dies gilt auch dann, wenn sich diese Dienstleistungen rein betriebswirtschaftlich nicht rechnen. Durch Quersubventionierungen innerhalb der Unternehmen (ein Brief von Zürich nach Baden kostet gleichviel wie ein Brief von Poschiavo nach Pruntrut) und durch Beiträge des Bundes (z.B. im öffentlichen Regionalverkehr) wird die Erbringung dieser flächendeckenden Dienstleistungen finanziell gewährleistet. Dies ist keinesfalls selbstverständlich, wenn man einen Blick auf andere Länder wirft, wo die öffentlichen Dienstleistungen in peripheren Regionen massiv abgebaut wurden. Mit seiner Politik zur flächendeckenden Grundversorgung leistet der Bund nicht nur einen Beitrag an die Lebensqualität der Bergbevölkerung, er trägt auch zur wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit der Berggebiete bei.

Dies ist die Haltung des Bundesrates in seinem Bericht zum Service public. Ich gehe davon aus, dass auch die eidgenössischen Räte diese Politik grossmehrheitlich unterstützen werden. Trotzdem werden immer wieder Befürchtungen laut, die flächendeckende Grundversorgung sei längerfristig nicht garantiert, insbesondere den Berggebieten drohe ein schleichender Abbau. In einer Zeit, in welcher nichts mehr sicher ist, bestehen zweifellos auch für die Grundversorgung mittel- und längerfristige Risiken. Es gehört zu einer vorausschauenden Politik, derartige Risiken frühzeitig zu erkennen, um ihnen auch entgegentreten zu können. Ich gestatte mir deshalb, zum Abschluss auf drei mögliche Risiken für die flächendeckende Grundversorgung hinzuweisen:

1. Das erste Risiko besteht in einer Politik der Strukturerhaltung. Denn die flächendeckende Grundversorgung kann längerfristig nur dann gewährleistet werden, wenn ihre Effizienz laufend verbessert wird und wenn die Unternehmungen der Grundversorgung ihre Strukturen ständig den technologischen und wirtschaftlichen Veränderungen anpassen. SBB, Post und Swisscom können es sich nicht leisten, Arbeitsplätze, welche technologisch überholt oder betriebswirtschaftlich nicht mehr sinnvoll sind, künstlich aufrechtzuerhalten. Eine derartige Politik der Strukturerhaltung würde nicht nur die Zukunft der Unternehmen im Grundversorgungssektor gefährden, sondern letzten Endes auch die flächendeckende Grundversorgung selbst. Überdies ist eine Politik der Strukturerhaltung auch nicht im Interesse der betroffenen Regionen. Dies zeigen zahlreiche Beispiele aus dem In- und Ausland - von Kohle und Stahl bis zur Uhrenindustrie.

2. Das zweite Risiko betrifft das Verhältnis von Agglomerationen und Berggebiet. Dass die Interessenlagen nicht immer identisch sind, ist natürlich und seit langem Gegenstand der schweizerischen Politik. Wenn aber die Polarisierung so weit geht, dass jede Seite nur noch ihre partikulären Interessen vertritt und kein Verständnis mehr hat für die Bedürfnisse der andern Regionen, dann steht der Zusammenhalt des Landes und auch die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung auf dem Spiel. Stichworte dazu sind der Neue Finanzausgleich oder die Lösung der dringenden Verkehrsprobleme in den Agglomerationen.

3. Die flächendeckende Grundversorgung hat ihren Preis. Aus finanzieller Sicht wäre es wesentlich billiger, wenn sich der öffentliche Verkehr auf die Agglomerationen und die Verbindung zwischen den grossen Städten konzentrieren würde. Ähnliche Überlegungen könnten auch für die Postversorgung, die Radio- und Fernsehversorgung oder das Strassennetz gemacht werden. Wenn man deshalb eine flächendeckende Grundversorgung in der Schweiz will, muss man auch ja sagen zu einer gesicherten Finanzierung.

Gegenwärtig dominiert die Finanzpolitik alle politischen Diskussionen. Der Bundesrat ist verschiedentlich kritisiert worden, dass die von ihm eingeleiteten Sparprogramme ungenügend seien. Staatsquote und Steuern müssten massiv gesenkt werden. Es ist jedoch offensichtlich, dass Sparmassnahmen im Bereich der Grundversorgung die Berggebiete überproportional treffen. Denn die finanzschwachen Kantone sind wesentlich stärker auf Bundesbeiträge angewiesen als die finanzstarken Kantone. Überdies müssten Einschnitte ins Leistungsangebot beispielsweise des öffentlichen Verkehrs primär dort erfolgen, wo die Frequenzen und der Kostendeckungsgrad schlecht sind - also in den Randregionen.

Die schweizerische Politik steht damit vor einer Weichenstellung: Wenn sie weiterhin eine gute und flächendeckende Grundversorgung will, muss sie auch ja sagen zu einer gesicherten Finanzierung.
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Zuletzt aktualisiert am: 09.12.2004

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