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Referat am Logistik-Forum 27. - 29. Mai 2008, Zürich
„Logistik boomt!" steht als Titel in der Einladung zum diesjährigen Logistik-Forum. In der Tat: In einer globalisierten und arbeitsteiligen Wirtschaft hat die Bedeutung der Logistik massiv zugenommen. Sie haben in den vergangenen zwei Tagen über die vielfältigen Herausforderungen für die moderne Logistik diskutiert. Heute, am Transporttag, geht es um die Verantwortung des Staates für eine effiziente Verkehrsinfrastruktur. Ich möchte in meinem Referat auf drei Themen eingehen:
und dann ein kurzes Fazit ziehen.
In ganz Europa ist der Güterverkehr in den letzten Jahren massiv gewachsen. In der EU hat er sich in den letzten 30 Jahren praktisch verdreifacht. Die Gründe für dieses massive Wachstum sind bekannt:
Dieses starke Wachstum hat primär auf der Strasse stattgefunden. Die Verkehrsträger Schiene und Binnenwasserwege haben europaweit stark an Marktanteilen verloren. Die Luftfracht hat ihre besondere Rolle für rasche Transporte über längere Distanzen behalten.
Alle Prognosen sagen auch in Zukunft ein weiteres starkes Wachstum des Güterverkehrs in Europa voraus; allein in den nächsten zehn Jahren muss mit einer weiteren Verkehrssteigerung von gegen 50 % gerechnet werden. Wenn sich der bisherige Trend fortsetzen würde, würde auch das zukünftige Wachstum primär auf der Strasse stattfinden. Ein Trendszenario der EU rechnet mit einem Anteil der Strasse von gegen 50 %, während die Schiene bei weniger als 7 % Marktanteil stagnieren würde. Der im März 2008 vorgestellte „Masterplan Logistik" der deutschen Bundesregierung sagt ohne Gegenmassnahmen ein Wachstum des Strassengüterfernverkehrs von 84 % im Zeitraum 2004 - 2025, auf einzelnen Strecken gar eine Verdoppelung, voraus.
Dieses rasche Wachstum des Strassengüterverkehrs stösst jedoch in den dichtbesiedelten Kernräumen Westeuropas und in den Alpenräumen immer mehr an Grenzen. Diese Grenzen ergeben sich aus den ökologischen Anforderungen, aus dem legitimen Schutz der Bevölkerung an den Verkehrsachsen, aber auch aus der Tatsache, dass der Raum für neue grosszügige Strassenbauten heute kaum mehr vorhanden ist. Es ist deshalb unrealistisch, alle 10 - 20 Jahre die Strassenkapazität für den Güterverkehr verdoppeln zu wollen.
Wir stehen damit vor der Alternative,
Es besteht deshalb in Europa weitgehend Einigkeit darüber, dass der europäische Binnenmarkt nur funktionsfähig bleiben kann, wenn Schiene und Wasserwege einen beträchtlichen Teil des zukünftigen Güterverkehrswachstums auf längeren Strecken übernehmen können.
Die Ziele der schweizerischen Güterverkehrspolitik, welche in den letzten Jahren durch mehrere Volksabstimmungen festgelegt und bestätigt worden sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Im Folgenden möchte ich die wichtigen Aktionsfelder der schweizerischen Güterverkehrspolitik kurz erläutern.
Ein zentrales Ziel unserer Verkehrspolitik ist der koordinierte Einsatz der Verkehrträger. Grundlage dafür bildet der Sachplan Verkehr, der vom Bundesrat im April 2006 verabschiedet wurde. Er zeigt auf, mit welchen Verkehrsbedürfnissen wir in den nächsten Jahrzehnten rechnen müssen und wo die grössten Problemfelder und Engpässe zu erwarten sind. Zugleich ist er das wichtigste Instrument für die Koordination der verschiedenen Verkehrsträger. Dies bedeutet, dass jeder Verkehrsträger nach seinen komparativen ökonomischen und ökologischen Vorteilen eingesetzt werden soll. So hat die Eisenbahn grosse Vorteile für die gebündelte Nachfrage über längere Strecken, während der Lastwagen für die flexible Feinverteilung der Güter und für kürzere Strecken unverzichtbar ist. Von immer grösserer Bedeutung ist der intermodale oder kombinierte Verkehr, welcher zwei oder mehrere Verkehrsträger effizient miteinander verknüpft.
Mit der angestrebten Stärkung der Eisenbahn wird die Strasse entlastet – dies im Interesse aller Transporte, welche sinnvollerweise auf der Strasse abgewickelt werden. Diesen Transporten muss ein leistungsfähiges Strassennetz zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihre Zielorte sicher und innert nützlicher Frist erreichen können. Die wichtigsten Schwerpunkte in der Nationalstrassen-Politik der nächsten Jahre sind:
Effizienzsteigerung: Durch den Neuen Finanzausgleich NFA übernimmt der Bund die volle Verantwortung für Bau, Betrieb und Unterhalt des Nationalstrassennetzes. Wir beabsichtigen, die durch diese Zentralisierung möglichen Effizienzgewinne konsequent auszuschöpfen.
Substanzerhaltung: Wir wissen, dass mittelfristig jährlich rund 1,5 % des Wiederbeschaffungswertes in die Substanzerhaltung investiert werden müssen. Die Finanzmittel für den Unterhalt des Nationalstrassennetzes werden deshalb in den nächsten Jahren schrittweise erhöht.
Funktionsfähigkeit des Netzes: Es gibt im Nationalstrassennetz eine Reihe von neuralgischen Stellen, welche bei einem weiteren Verkehrswachstum zu Dauerstaus und damit zu einer Beeinträchtigung des gesamten Netzes führen können. Diese Engpässe müssen rechtzeitig beseitigt werden. Dies ist eines der Ziele des neu geschaffenen Infrastrukturfonds. Wir sind gegenwärtig daran, die zukünftigen Engpässe sorgfältig zu analysieren und Prioritäten zu setzen. Die öffentliche Anhörung wird nächstes Jahr stattfinden, die Botschaft an das Parlament folgt Ende 2009.
Der Bahngüterverkehr hat in der Schweiz schon heute eine relativ starke Stellung, dies insbesondere im alpenquerenden Transitverkehr. Hier weist die Schiene einen bemerkenswerten Marktanteil von 64 % auf, während er in unseren Nachbarländern Österreich und Frankreich nur zwischen 20 und 25 % beträgt.
Wir wollen diese starke Stellung des Schienengüterverkehrs halten und wenn möglich ausbauen. Das Massnahmenpaket zur Stärkung und Modernisierung der Eisenbahn besteht aus vier Elementen:
Das Güterverkehrsverlagerungsgesetz, das gegenwärtig im Parlament beraten wird, sieht vor, dass die flankierenden Massnahmen weitergeführt, jedoch mittelfristig durch eine Alpentransitbörse abgelöst werden. Dieses marktwirtschaftliche Instrument zur effizienten Nutzung beschränkter Kapazitäten wird selbstverständlich in Koordination mit den andern Alpenländern und der EU geplant und eingeführt. (Referat Meyrat)
Gestatten Sie mir zwei Bemerkungen zum Ausbau der Infrastruktur und zum grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr.
Bei der Schieneninfrastruktur besteht ein klarer Nachholbedarf. In der Nachkriegszeit wurde in ganz Europa ein leistungsfähiges Autobahnnetz erstellt, welches grosse Produktivitätssteigerungen im Strassengüterverkehr möglich machte. Ebenso erfolgte ein starker Ausbau der Flughäfen. Die Eisenbahnen fahren demgegenüber zu einem grossen Teil immer noch auf einer Infrastruktur, welche über 100 Jahre alt ist. Die Modernisierung des Eisenbahnnetzes ist deshalb eine zentrale Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene. Mit den Projekten NEAT und Bahn 2000 wird die Eisenbahninfrastruktur auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts ausgerichtet – auch für den Güterverkehr.
Gegenwärtig wird im Parlament die ZEB-Vorlage diskutiert (also Bahn 2000, 2. Etappe). Natürlich übersteigen die Wünsche die verfügbaren finanziellen Mittel. Der Bundesrat hat die Prioritäten so gesetzt, dass vorrangig die neuralgischen Netz-Engpässe beseitigt werden. Wie bei den Nationalstrassen geht es darum, systemgefährdende Engpässe rechtzeitig zu beheben - im Interesse eines funktionierenden Güter- und Personenverkehrs.
Ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Verlagerungspolitik ist die Qualität und der Preis des Bahnangebotes. Hier besteht insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr noch ein grosses Verbesserungspotential. In verschiedenen Ländern – so auch in der Schweiz – ist es gelungen, einen relativ effizienten Binnengüterverkehr zu betreiben. So betrug die Pünktlichkeit des schweizerischen Binnengüterverkehrs im Jahre 2007 93,5 % (Ankunft innerhalb von 30 Minuten). Trotz der kurzen Distanzen ist der Marktanteil der Schiene beachtlich. Demgegenüber ist der europäische grenzüberschreitende Bahngüterverkehr immer noch relativ unpüntklich und hat einen tiefen Marktanteil. Wir haben damit die paradoxe Situation, dass der Schienengüterverkehr im Kleinstaat Schweiz mit Distanzen bis maximal 300 Kilometern viel erfolgreicher ist als auf den langen, für die Bahn besser geeigneten Distanzen in ganz Europa. Diese Zahlen zeigen, wo die grossen Probleme liegen – sie zeigen aber auch, dass das System Bahn noch ein riesiges, bisher nicht ausgeschöpftes Potential besitzt.
Die Ursachen für die Probleme des grenzüberschreitenden Güterverkehrs sind bekannt: Die Eisenbahn ist ein altes Verkehrsmittel, das praktisch gleichzeitig mit der Bildung der Nationalstaaten entstanden ist und das deshalb sehr stark national geprägt ist. Bis vor kurzem wurden die Bahnen zudem als Teil der Landesverteidigung betrachtet. Im Unterschied zum Luft- und auch zum Strassenverkehr, welche von Anfang an international normiert waren, ist das System Eisenbahn durch eine Vielzahl nationaler Eigenheiten geprägt.
Die in ganz Europa durchgeführte Bahnreform hat Einiges verbessert und positive Zeichen gesetzt. Ich möchte dies anhand des Nord-Süd-Korridors durch die Schweiz aufzeigen:
Dieses neue Geschäftsmodell hat zu einer starken Erhöhung der Produktivität und zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis geführt. Allerdings ist das Ziel, dem Kunden einen pünktlichen und effizienten Transport aus einer Hand anzubieten, noch nicht vollständig erreicht. Es bleibt eine grosse unternehmerische Herausforderung für die Bahngesellschaften (Referate Meyer, Kremper, Bertschi). Gleichzeitig müssen die Staaten und die Europäische Union dafür sorgen, dass aus der Vielzahl nationaler Eisenbahnsysteme ein europäisches Schienensystem entsteht, welches wie beim Strassen- oder Luftverkehr nach einheitlichen Standards und Spielregeln funktioniert. Von besonderer Bedeutung für den Güterverkehr ist der diskriminierungsfreie Netzzugang, welcher von der EU beschlossen ist, aber leider noch nicht in allen Staaten gleich konsequent umgesetzt wird.
Die Luftfracht hat eine zentrale Bedeutung für bestimmte Güter und Destinationen. Rund 30 % der schweizerischen Exporte erfolgen auf dem Luftweg (gemessen in Fr.).
Der Bundesrat formuliert in seinem Luftfahrtpolitischen Bericht als prioritäres Ziel die optimale internationale Anbindung der Schweiz. Der Bund trägt zu diesem Ziel bei durch den Abschluss möglichst liberaler Luftverkehrsabkommen und durch optimale Rahmenbedingungen für die Infrastruktur der Luftfahrt (Flugplätze und Flugsicherung). Auf die schwierigen Verhandlungen mit Deutschland über den Flughafen Zürich will ich hier nicht eingehen. Hingegen benutze ich die Gelegenheit, um auf die grosse Bedeutung des Projektes „Single European Sky" hinzuweisen. Dieses EU-Projekt, an dem die Schweiz aktiv mitwirkt, hat zum Ziel, durch einen einheitlichen europäischen Luftraum die Kapazitäten, die Effizienz und die Sicherheit des europäischen Luftverkehrs stark zu verbessern. Für die Schweiz im Vordergrund steht der geplante gemeinsame Luftraum mit Frankreich, Deutschland, den Benelux-Staaten und der Schweiz (FABEC).
Die Wasserwege haben grosse ökologische und ökonomische Vorteile sowie ein noch nicht ausgeschöpftes Potential. Ihre vermehrte Nutzung ist ein wichtiges Ziel der euorpäischen Verkehrspolitik. Die Schweiz hat zwar nur wenige Kilometer eigene Wasserwege, die Rheinschifffahrt spielt aber eine bedeutende Rolle für Import und Export. Die schweizerischen Rheinhäfen bilden für viele Güter die wichtigste nationale Umschlagdrehscheibe, z.B. für Container, Mineralöl oder für Stahl- und Metallprodukte. Wir unterstützen deshalb die Bestrebungen für die vermehrte Nutzung des Rheines wie auch für den entsprechenden kombinierten Verkehr. Der Bundesrat wird noch dieses Jahr einen umfassenden Bericht über die Schifffahrtspolitik der Schweiz verabschieden.
Nach dieser Darstellung der vier Verkehrsträger möchte ich auf einige wichtige verkehrsträgerübergreifende Themen eingehen:
Die grössten Verkehrsprobleme bestehen sowohl auf der Strasse wie auf der Schiene in den grossen Agglomerationen. Denn hier überlagern sich lokale, regionale, nationale und internationale Verkehrsströme auf engstem Raum. Wenn der Verkehr in den Agglomerationen zusammenbricht, hat dies nicht nur negative Auswirkungen auf die Städte – sondern es gefährdet die Funktionsfähigkeit der nationalen Verkehrsnetze. Die Lösung der Verkehrsprobleme in den Agglomerationen ist deshalb eine prioritäre nationale Aufgabe. Mit dem bereits erwähnten Infrastrukturfonds stellt der Bund insgesamt 6 Mia. Franken zur Lösung der dringenden Verkehrsprobleme in den Agglomerationen zur Verfügung. Davon werden nicht nur der Personenverkehr, sondern auch der Gütverkehr profitieren. Die entsprechende Vorlage ist in Vorbereitung und wird Ende 2009 dem Parlament unterbreitet.
Für alle Verkehrsträger gilt, dass die vorhandenen Infrastrukturen so effizient wie möglich genutzt werden müssen. Die Entwicklung von Informatik und Telekommunikation eröffnet hier neue Möglichkeiten: Die Verkehrstelematik kann Effizienz und Leistungsfähigkeit der einzelnen Verkehrsträger erheblich steigern – das gilt für Schiene und Strasse, aber auch für die Flugsicherung. Darüber hinaus kann Verkehrstelematik auch das Zusammenwirken der Verkehrsträger verbessern. Ich verweise hier auf das Referat „Verkehrsmanagement Schweiz" von Rudolf Dieterle.
Verkehrstelematik entsteht durch enges Zusammenwirken zwischen staatlichen und privaten Akteuren. Ohne klare staatliche Rahmenbedingungen ist jedoch kein gezielter Ausbau der Verkehrstelematik möglich. Angesichts der Tatsache, dass alle Verkehrsinfrastrukturen einen zunehmend europäischen Charakter haben, wären frühzeitige Rahmenbedingungen durch die EU sehr erwünscht.
Leistungsfähige Verkehrsnetze sind eine zentrale Voraussetzung für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Verkehrsengpässe werden sehr rasch zu Wachstumsengpässen. Die OECD hat kürzlich einen Bericht über die Zukunft der Infrastrukturen („Infrastructure to 2030") veröffentlicht. Sie kommt darin zum Schluss, dass die Bedeutung der Infrastrukturnetze für die wirtschaftliche Entwicklung generell unterschätzt wird und dass den OECD-Ländern mittelfristig eine „Infrastrukturlücke" droht. Im Verkehrsbereich würde sich diese „Infrastrukturlücke" in Dauerstaus auf der Strasse, mangelnden Kapazitäten auf der Schiene und im Luftverkehr und als Folge davon in einer Verschlechterung der Erreichbarkeit und der Standortgunst sowie in hohen volkswirtschaftlichen Kosten äussern. Da Verkehrsinfrastrukturen sehr langfristig geplant werden müssen (vom Entscheid bis zur Inbetriebnahme vergehen normalerweise 10 - 20 Jahre), entscheiden wir heute darüber, ob wir im Jahre 2030 funktionsfähige Verkehrsnetze oder Verkehrszusammenbrüche haben werden.
Es ist deshalb ausserordentlich wichtig, dass die Verkehrsinfrastruktur im gegenwärtigen harten Verteilkampf zwischen den Bundesaufgaben nicht unter die Räder gerät. Der Bundesrat hat im Rahmen der sogenannten „Aufgabenüberprüfung" dem Verkehr ein jährliches Wachstum von 2 % nominell zugestanden. Real sind dies 0,5 %. Der Verkehr soll damit unterdurchschnittlich wachsen; er muss das überproportionale Wachstum der Sozial- und Bildungsausgaben kompensieren. Ob mit diesem geringen Wachstum die Leistungsfähigkeit unserer Verkehrsinfrastruktur im Jahr 2030 gesichert werden kann, werden unsere Abklärungen zeigen. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass der „Masterplan Güterverkehr und Logistik" der deutschen Bundesregierung zum Schluss kommt, dass die Investitionsmittel in die Verkehrsinfrastruktur aufgestockt werden müssen, um den Unterhalt und die gezielte Engpassbeseitigung längerfristig gewährleisten zu können. Auch in der Schweiz sollte die Sicherstellung leistungsfähiger Verkehrsnetze - und damit des zukünftigen Wirtschaftswachstums – eine hohe Priorität geniessen.
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