Halvers Woche: "Krypto-Währungen - geniale Technik oder fatale Blasen?"
Halver skizziert, wie viel Potential er in Bitcoins sieht und ob sie schon mögliche Zahlungsmittel oder Assets für Anleger sein könnten.
Die "Blockchain-Technologie"
Hinter einer Krypto-Währung stehen miteinander verkettete Blöcke, die sogenannte Blockchain. Sie ist eine Art dezentrale Datenbank, zu der jeder, der mit seinem Computer an die Krypto-Währung angebunden ist, Zugang hat. Alle wissen über jede ausgeführte Zahlungstransaktion also Bescheid. Das, was in der Wirtschaftswissenschaft für unsere Finanzwelt als theoretische Annahme gilt, praktisch aber eine Illusion blieb, ist bei Blockchain Realität geworden. Es herrscht vollständige Transparenz.Ein weiterer Vorteil von Blockchain ist, dass zwei Vertragspartner ohne Zwischenschaltung einer dritten Instanz Verträge schließen und Zahlungsverkehr betreiben können. Obwohl die Notenbanken sie flüssig halten, sind Banken überflüssig. Mit dieser Technologie kann übrigens auch die Einhaltung eines geschlossenen Vertrags überwacht werden. Ist z.B. bei einer Autofinanzierung der Käufer säumig, könnte Blockchain über eine hinterlegte Verschlüsselung dafür sorgen, dass sich das betreffende Fahrzeug nicht mehr starten lässt. Im Einzelhandel käme es zu einer wahren Transparenz-Revolution. Über Blockchain ließe sich problemlos nachverfolgen, von welchem Hühnerhof das Ei kommt oder ob bei einer gekauften Makrele die Kühlkette eingehalten wurde.
Auch gesamtwirtschaftlich wären mit dieser Transparenz willkürlichen Preisschüben Riegel vorgeschoben. Und da die teilnehmenden Geschäftspartner anonym sind, ist sogar der Datenschutz gewährleistet. Verbraucherverbände kämen aus dem "Hurra-Schreien" gar nicht mehr heraus. Klingt alles fast zu schön, um wahr zu sein, oder?
Aber wo liegen die Fallstricke von Kryptos?
Doch kennt man die Geschäftspartner nicht persönlich, ist kriminellen Handlungen Tür und Tor geöffnet. Ich kommentiere es nicht, dass China, Russland und Nordkorea bedeutende Nutzer von Kryptowährungen sind. Mit welcher Berechtigung werden Steuerhinterziehung, Schwarzgeld oder Drogenkriminalität durchleuchtet, wenn man alternativ dunkle Krypto-Ecken erlaubt?Da mittlerweile viele Menschen Kryptos nutzen, können Zahlungstransaktionen mitunter mehr als 10 Minuten dauern. Bei Mastercard, Visa, American Express oder Pay Pal geht das ruckzuck. Wer will denn so lange auf "Voice of Germany" oder "Deutschland sucht den Superstar" verzichten? Überhaupt, hieß es nicht, dass die zügige Zahlungsabwicklung der große Vorteil von Cyber-Geld sei?
Und wer sich schon über die Wiedereinführung oder Erhöhung von Überweisungs- oder Kontoführungsgebühren bei Girokonten aufregt, sollte vor Transaktionen mit Kryptowährungen die Familienpackung Valium zu sich nehmen. Die kosten richtig Geld.
Ohnehin gibt es viele Krypto-Währungen, nicht nur Bitcoin, selbst wenn diese zurzeit synonym wie Tempo bei Papiertaschentüchern oder Hilti für Bohrmaschinen verwendet werden. Doch wer sagt, dass das so bleibt? Es herrscht ein Kampf um die "richtige" Digitalwährung. Hier gibt es noch viel zu viel Streuverluste. Die Spreu hat sich noch lange nicht vom Weizen getrennt.
Insgesamt sind Krypto-Währungen für den Otto Normalo nicht zum Bezahlen geeignet.
Krypto-Währungen sind der Erzfeind der Politik
Und es gibt noch das ganz große Killerargument gegen Kryptos als allgemeines Zahlungsmittel. Mit ihrer durch Rechenkapazitäten beschränkten Verfügbarkeit hätten diese Währungen zwar einen starken Stabilitätscharakter. Denn die unsolide ungebremste Geldvermehrung über die Druckerpresse der Geldpolitik wäre beendet.Doch mit nicht mehr beliebig vermehrbarem Krypto-Geld wären leider auch die üppigen staatlichen Sozialleistungen nicht mehr zu finanzieren. Genau diese über üppige Neuschulden gestemmten populistischen Wahlgeschenke sind aber offensichtlich erforderlich, um die öffentliche Ruhe zu sichern bzw. Europa-feindliche Wahlergebnisse abzuwenden. Und wie will man sich erst von zukünftigen (Euro-)Krisen "freikaufen"?
Also, warum sollte sich ein Politiker für den umfangreichen Einsatz von Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Ripple, Litecoin, Dash, usw. einsetzen? Sollen sie auf hohes Wirtschaftswachstum, das von den Notenbanken mit ihrer Währung "Geld" hemmungslos gedüngt wird, verzichten? Welcher Politiker will denn das real existierende Märchen Rumpelstilzchen beenden, das erlaubt, aus Stroh, also aus Nichts, Geld zu machen? Politiker lassen nicht die Finger vom Geldausgeben. Das ist eine Berufskrankheit. Wer verzichtet schon freiwillig auf die Chancen einer Wiederwahl? Kämen Frösche auf die Idee, ihre eigenen Tümpel trockenzulegen?
Bevor sich Kryptowährungen auch nur ansatzweise in Richtung konkurrenzfähiges Massenzahlungsmittel entwickeln, werden sie von der Politik auf die Guillotine gelegt.
Für Anleger, die Risiko aushalten können, sind Kryptos allerdings paradiesische Spekulationsobjekte. Und wenn eine Anlageform wie Bitcoin seit Jahresbeginn etwa 1000 Prozent gewonnen hat, kann man getrost von einer Blase sprechen. Allerdings hat es auch schon Abstürze von 30 Prozent gegeben.
Kommt Ihnen diese Blase bekannt vor? Es gab bereits Blasen bei Tulpen, bei Eisenbahnen, Immobilien oder dem Neuen Markt. Und tatsächlich, legt man den Kurs von Bitcoins zeitversetzt mit der Entwicklung des Neuen Markts übereinander, sind Ähnlichkeiten nicht nur rein zufällig. Das Ende vom Lied kennt jeder.
Wie lange sich die Krypto-Blase noch aufbläht bzw. wann sie platzt, kann niemand prophezeien. Eins ist aber klar: So wie die Eisenbahnen die Eisenbahn- und das Internet die Dotcom-Blase überlebt haben, wird die Blockchain-Technologie die Krypto-Blase überleben.
Das Bersten der Krypto-Blase hätte sich dann am Ende doch noch bezahlt gemacht.
1. Dezember 2017, © Baader Bank
Über den Autor
Robert Halver ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank und Halvers Woche Bestandteil des wöchentlichen Kapitalmarktmonitors. Dieser Artikel gibt die Meinung des Autors wieder, nicht die der Redaktion von boerse-frankfurt.de. Sein Inhalt ist die alleinige Verantwortung des Autors.