Österreichische Schulbücher

Vom Ende der Monarchie bis in die 50er


Die Entwicklung des Pflichtschulwesens in Österreich bis 1919

Wer sich mit Kinderliteratur im weitestens Sinn beschäftigt, stößt unweigerlich auf das Thema Schulbuch. Denn diese Bücher sollen schon ihrer Zweckbestimmung nach all das verkörpern, was vom "guten" Kinderbuch erwartet wird. Das Schulbuch soll belehren, erwünschte soziale Verhaltensweisen einprägen und wenn möglich, dort, wo es nicht nur um die Vermittlung von Fakten geht, also etwa in den 'Lesebüchern' auch unterhalten; aber nicht zu sehr: Ernsthaftigkeit ist meistens angesagt.
Wer sich aber mit Schulbüchern als literaturhistorisches Phänomen beschäftigt, kommt nicht umhin, auch einen Blick auf die Entwicklung des Schulsystems zu werfen.
Dabei macht man die Entdeckung, dass all das, was uns heute so selbstverständlich anmutet, noch gar nicht so alt ist. Wussten Sie, dass Mädchen erst seit 1901 (das sind weniger als zwei Menschenleben) die Matura mit Reifeklausel ablegen können?
Aber lassen Sie uns etwas früher beginnen:

Wie bekannt, wurde die allgemeine Schulpflicht in Österreich von Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich und Königin von Ungarn und Böhmen, Gemahlin des römisch-deutschen Kaisers Franz I. Stephan eingeführt. Die Reform des Schulwesens wurde von ihrem Sohn, Mitregenten und Nachfolger Josef II weitergeführt. Ab 1774 bestand eine sechsjährige Unterrichtspflicht an Volksschulen.
Bis dahin hatte das Schulwesen in privaten und kirchlichen Händen gelegen, wobei hauptsächlich der Jesuitenorden Träger des Bildungswesen war.
Die Organisation des neuen staatlichen Schulsystems und die Schulaufsicht wurden der (römisch katholischen) Kirche übertragen, weil sie landesweit über ausreichende geeignete Organisationsstrukturen verfügte, mit denen sich ein allgemeines Schulsystem verwirklichen ließ. Nach den Intentionen Josef II waren es vor allem die Pfarrer, welche vor Ort, hauptsächlich in den Dörfern die Schulgründungen zu organisieren hatten. Josef II, der zahlreiche Klöster geschlossen und den Einfluß Roms zurückgedrängt hatte, ordnete den Geistlichen Aufgaben des Staates zu und sah sie primär als Staatsdiener (Josephinismus).

Die Österreichisch - Ungarische Monarchie wurde mit dem Zerfall des Deutschen Reiches in den napoleonischen Kriegen ein selbstständiger Staat (1804), in welchem unter dem Eindruck der vorangegangenen französischen Revolution absolutistische Tendenzen vorherrschten, wobei Kaiser Franz I allerdings am Josephinismus festhielt
Nach dem Zusammenbruch der bürgerlichen Revolution von 1848, die das nur oberflächlich so idyllisch wirkende Zeitalter des Biedermeier beendete, wurde Franz Josef I Kaiser und versuchte zunächst die Religion zu einer Stütze des österreichischen Kaiserstaates zu machen und zugleich eine Abwehrfront gegen den wachsenden Liberalismus zu bilden.
Das Konkordat von 1855, das von katholischer Seite als Überwindung des Josephinismus gefeiert wurde, entzog nunmehr Eherecht, Schulwesen und den Klerus dem staatlichen Machtbereich und brachte der katholischen Kirche einen erheblichen Machtzuwachs, der an jene Situation erinnert, wie wir sie heute in manchen islamischen Staaten finden. Unten ein Auszug aus dem Text des Konkordates:

Der ganze Unterricht der katholischen Jugend wird in allen sowohl öffentlichen als nicht öffentlichen Schulen der Lehre der katholischen Religion angemessen sein; die Bischöfe werden kraft des ihnen eigenen Hirtenamtes die religiöse Erziehung der Jungend in den öffentlichen und nicht öffentlichen Lehranstalten leiten und sorgsam darüber wachen, daß bei keinem Lehrgegenstande Etwas vorkomme, was dem katholischen Glauben und der sittlichen Reinheit zuwiderläuft.
In den für die katholische Jugend bestimmten Gymnasien und mittleren Schulen überhaupt werden nur Katholiken zu Professoren oder Lehrern ernannt werden, und der ganze Unterricht wird nach Maßgabe des Gegenstandes dazu geeignet sein, das Gesetz des christlichen Lebens dem Herzen einzuprägen. Welche Lehrbücher in gedachten Schulen bei dem Vortrage der Religion zu gebrauchen seien, werden die Bischöfe kraft einer miteinander gepflogenen Berathung festsetzen.

Die Tradition, einerseits von Staaten mit absolutistischen Tendenzen, sich der Kirche als staatseinigender machterhaltender Institution zu bedienen und andererseits der Kirche, die Staatsgewalt zur Durchsetzung ihres religiösen und weltanschaulichen Machtanspruches in Anspruch zu nehmen, läßt sich in ungebrochener Linie bis in die Antike zurückverfolgen. Vergleiche dazu auch: Christentum, Kirche und Zensur .


Links: So sah es um 1850 in einer ländlichen Volksschule aus (Zeichnung um 1850)
Die Kaufkraft des in Österreich Mitte des 19. Jahrhunderts in Geltung stehenden Guldens betrug sehr grob geschätz, etwa das 10 fache in Euro. Ein Industriearbeiter verdiente etwa 250 Gulden im Jahr (bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von etwa 80 Stunden).
Ein Schullehrer in einer ländlichen Gemeinde verdiente zu dieser Zeit etwa 70 Gulden im Jahr, hatte aber freie Unterkunft, manchmal mit Obstgarten, wurde in der Regel mit Brennmaterial und Naturalien, wie beispielsweise ein bestimmtes Quantum Most, Wein oder gelegentlich Fleisch versorgt und verfügte nicht selten über Nebeneinkünfte, wie etwa für Notariatstätigkeit oder Cantorstätigkeiten bei Hochzeiten, Begräbnissen und Taufen.

Diese Angaben schwanken zeitlich und regional sehr stark, geben aber einen ungefähren Eindruck von den Größenordnungen und erklären warum oft vom "armen Dorfschulmeisterlein", bei dem stets ein Mangel an Bargeld herrschte, die Rede ist. Zu den Pflichten des Schullehrers, der zwar vom Pfarrer beaufsichtigt, aber von der Gemeinde besoldet wurde, gehörten im Allgemeinen nicht nur das Unterrichten der Kinder sondern auch Mesner- und Organistendienste. Auch hatte der Lehrer die Schulkinder in die Kirche und zu allen Andachtsübungen zu begleiten und für Ordnung und gebührliches Benehmen zu sorgen.


Die Entwicklung der Infrastrukturen des Landes und das heraufkommende Industriezeitalters stellten in der Folge immer komplexere Anforderungen an die arbeitenden Menschen, die mit einem ungebildeten Volk nicht zu bewältigen waren. Das gleiche traf übrigens auch auf die Kriegsführung und Ausbildung der Soldaten zu. Trotz (nicht lückenlos durchsetzbarer) Schulpflicht war das Analphabetentum noch immer erschreckend hoch. Dieses niedrige Bildungsniveau und die dadurch bedingte eingeschränkte Ausbildungsmöglichkeit für Soldaten wurde von vielen als eine Mitursache für die Niederlage von Königsgrätz 1866 angesehen, durch welche Österreich seine Stellung im deutschen Bund verlor und dem erstarkenden Preußen weichen musste. Es wurde daher das Schulsystem weiter ausgebaut und vereinheitlicht.

Der nebenstehende Text stammt aus einem Büchlein von 1850, das sich in eher humoristischer Weise dem Thema Schule annähert, aber deutlich macht, wie sehr die Anforderungen an Schulabgänger gestiegen waren.

Um das Bildungsangebot praxisorientiert zu differenzieren, wurde 1868 die 7 klassige Realschule als lateinlose höheren Schule mit modernen Fremdsprachen und Betonung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung geschaffen. Diese Realschule geht auf berufsorientierte frühere Schulformen für Kaufleute, Kameralisten, Landwirte, Künstler usw. zurück und wurde 1927 nach hinzufügen einer 8. Klasse ein dem Gymnasium gleichwertiger Schultyp (heute: Realgymnasium).

Mit dem Reichsvolksschulgesetz von 1869 wurde in Österreich schließlich als allgemeine Pflichtschule die achtklassige öffentliche Volksschule eingeführt, wobei die Möglichkeit bestand, dort, wo sie eingerichtet waren, also meist in den Städten, nach fünf Jahren in eine dreiklassige Bürgerschule (der Vorläufertyp der heutigen Hauptschule) zu wechseln, die Anspruch auf ein etwas höheres Bildungsniveau erhob. Daher war es notwendig, anders als in den Volksschulen, unterschiedliche Lehrpläne für Burschen und Mädchen einzuführen, damit Mädchen durch zuviel Bildung nicht überfordert oder gar an ihrer natürlichen Bestimmung als Frau und Mutter irre würden. An Gymnasien, die der Vorbereitung zum Universitätsstudium dienten und die für die breite Masse des Volkes ohnehin nicht in Frage kamen, waren Mädchen natürlich nicht zugelassen; wozu auch - sie durften ja auch keine Universitäten besuchen.

Ebenfalls 1869 wurde der Kirche die Bildungsaufsicht entzogen und damit das Schulsystem dem Staat unterstellt. Liberale Kreise hatten schon lange den zunehmenden Einfluss der Kirche im Staat mit Sorge beobachtet. Das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes, das eine Reaktion auf den Verlust des Kirchenstaates im Zuge der italienischen Staatseinigung war, vertiefte diese Bedenken. 1870 wurde das Konkordat von Österreich aufgekündigt. Formaljuristisch wurde damit argumentiert, dass der (nunmehr in Sachen der Lehre unfehlbar gewordene) Vertragspartner kraft eigener Definition nicht mehr mit jenem Vertragspartner ident sei, mit dem 1855 das Konkordat geschlossen worden war. Dennoch übten die Kirche und ihre Lehrer noch lange entscheidenden Einfluss in den Schulen aus.

Vieles blieb noch immer unvollkommen, ganz besonders die Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht bei der ländlichen Bevölkerung und in den ärmsten Bevölkerungsschichten. Berichte, die wir heute über die Kinderarbeit in Entwicklungsländern hören, muten uns schrecklich und exotisch an. Aber die Situation in Österreich im 19. Jahrhundert war mancherorts nicht so verschieden.
Die Mithilfe von Kindern bei der Landarbeit war für viele bäuerliche Betriebe unverzichtbar und Kinderarbeit in den Fabriken war eine Selbstverständlichkeit. Erst 1859 war für Gewerbebetriebe die Kinderarbeit für Kinder unter 10 Jahren verboten und im Übrigen auf eine tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden eingeschränkt worden. Den älteren Kindern, die so erlaubterweise in Fabriken arbeiteten, war natürlich die Möglichkeit genommen, die seit 1868 verodnete, bis zum 14 Lebensjahr vorgesehene Pflichtschule zu besuchen. Um dem abzuhelfen wurden eigene Fabriksschulen vorgeschriebent, in welchen die werktätigen Kinder wöchentlich mindestens 12 Stunden zu unterrichten waren. Man darf das nicht als zynische Maßnahme der Regierenden begreifen. Das Einkommen der Kinder, so gering es auch sein mochte, war für viele Familien des entstehenden Arbeiterproletariats einfach lebenswichtig.
Erst 1885 wurde ein Beschäftigungsverbot für Kinder unter 12 Jahren in Gewerbebetrieben verfügt. Das Gesetz war schon zuvor, 1883 insoferne der Realität angepasst worden, als die (bis in die Zwischenkriegszeit gegebene) Möglichkeit eingeräumt wurde, Kindern aus Bauernfamilien und aus anderen 'unbemittelten Volkssklassen' nach Absolvierung von sechs Klassen Pflichtschule (also ab 12 Jahren) über Ansuchen weitgehenden Dispens vom Pflichtschulbesuch zu gewähren, um ihren Einsatz in der Landwirtschaft oder die Annahme einer anderen Arbeit zu ermöglichen. In der Folge wurden die daher nicht mehr benötigten Fabriksschulen wieder abgeschafft.
Die weitere Entwicklung im Schulsystem des 19. Jahrhunderts ist vom Kampf der Frauen um Gleichberechtigung im Bildungswesen geprägt:
Ab 1872 konnten Mädchen die Matura als Externistinnen an einem Knabengymnasium ablegen. Allerdings durften sie erst ab 1897 die Universität besuchen (zunächst nur die philosophische und ab 1900 auch die medizinische Fakultät) Die Vorbereitung zur Matura erfolgte in privaten und daher teuren gymnasialähnlichen Schulen. Erst 1892 wurde in Wien ein Mädchengymnasium gegründet, allerdings ohne Berechtigung die Reifeprüfung selbst abzunehmen. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, an einem Knabengymnasium als Privatistin am Unterricht teilzunehmen, mit der Auflage, weder selber Fragen stellen zu dürfen, noch geprüft zu werden. Weil aber selbst diese verordnete Nichtbeachtung nicht ausreichte um die ernsthaft studierenden Knaben vor Ablenkung durch die unerwünschte Weiblichkeit zu schützen, wurde die erlaubte Anzahl der Privatistinnen 1910 auf 5 % der Gesamtschülerzahl beschränkt.
Das war etwa die Situation am Ende der Monarchie, vor Ausbruch des ersten Weltkrieges.

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Am Ende der Monarchie


Links: Festgabe der Gemeinde Wien an die Jugend anläßlich des 60-jährigen Regierungsjubiläums von Kaiser Kranz Josef I (1908)
Rechts: Festgabe der Gemeinde Wien an die Jugend zur Erinnerung an die Befreiuungskriege (napoleonischen Kriege) 1813 (1913)

In dem vom Zerfall bedrohten Vielvölkerstaat der Donaumonarchie waren Ergebenheit gegenüber dem Herrscherhaus und Hinwendung zu einer glanzvollen Vergangenheit des kaum 100 Jahre alten Reiches zentrale Themen in der offiziellen Jugendlektüre und natürlich auch in den Schulbüchern.

So sah es 1917 in einem Klassenzimmer einer 8- klassige Volksschule aus. Links die Buben, meist kurzgeschoren und manche barfuß, rechts die Mädchen, alle die Hände ordentlich auf den Tisch gelegt.

Und aus solchen Büchern lernten die Kinder damals in den 8- klassige Volksschulen :
Deutsches Lesebuch, IV Teil der vierteiligen Ausgabe, Kais.königl. Schulbücher-Verlag Wien, 1917, bestimmt für das 6 - 8 Schuljahr. Die Lesestücke waren eingeteilt in gemütbildende und sachliche. Bei den gemütbildenden Lesestücken findet man entsprechend den Erziehungsidealen Unterteilungen in Gottesfurcht, Rechtschaffenheit, Arbeitsamkeit, Pflichttreue und Edelmut usw. Die Lesestücke sind gut gemischt und zusammengestellt, nicht zu lange und jeweils in sich abgeschlossen. Man kann sich vorstellen, dass dieses Buch nicht nur für den Unterricht gut geeignet war, sondern auch zum privaten Schmökern animierte.
Fünftes Rechenbuch für die österreichische allgemeine Volksschule von 4 und 5 Klassen, K.k. Schulbücherverlag Wien, 1914: Der Band beeinhaltet: Grundrechnungsarten, Bruchrechnen, Schlussrechnen, Dreisatz, einfache Textgleichungen, Prozentrechnungen, Zinsrechnungen, Durchschnittsrechnungen, Mischungsrechnungen, Flächen und Körperberechnungen, Hauswirtschaftliche Rechnungen, Landwirtschaftliche Rechnungen, Grundlagen der Buchführung. Der Rechengang ist jeweils mit knappen Worten leicht verständlich erklärt, die Beispiele und Aufgaben sind praxisorientiert und so gestaltet, dass das Buch auch im späteren Leben zu Rate gezogen werden konnte.
Sprachübungen für österreichische allgemeine Volksschulen, Dritter Teil (Für die Oberstufe), Verlag von F. Temsky, Wien, 1910: Es handelt sich um eine Grammatik der deutschen Sprache, die sich gut zum Nachschlagen eignet, mit einem praxisbezogenen Anhang zur Abfassung verschiedener Schriftstücke vom Telegramm über div. Verträge, einem Schuldschein bis zum Testament, sowie von Beispielen amtlicher Schriftstücke wie etwa Geburts- und Taufschein, Heimatschein und vieles mehr.

Aus diesen willkürlich gewählten Beispielen läßt sich erkennen, wie hoch das Niveau der Schulbücher und des Unterrichtszieles war. Insbesondere im sachlichen Bereich wurde auf überflüssigen theoretischen Ballast verzichtet und sehr praxisorientiert und mit Blick auf spätere Lebensaufgaben unterrichtet.
Einem Lehrplan einer ländlichen Volksschule um 1900 entnehme ich etwa Unterrichsthemen wie: Propfen, Arbeiten im Weingarten, Düngung, Maßnahmen und Abwehr von Krankheiten, Veredlungsarten usw.
Ich kann berichten, dass noch nach dem zweiten Weltkrieg Eltern, die ihren Kindern bei den Aufgaben helfen mussten, Schulbücher aus der Monarchie zu Rate zogen; nicht nur deswegen, weil sie zufällig noch vorhanden waren, sondern deswegen, weil dort manches gut und leicht erklärt wurde.

Links: Deutsches Lesebuch für Bürgerschulen, für Knaben und Mädchen (Ausgabe für Wien), Kais.königl. Schulbücher-Verlag Wien, 1914. Das Titelbild zeigt die innere Hofburg mit dem Denkmal des ersten Kaisers der Doppelmonarchie Franz I

Rechts: Naturgeschichte für Bürgerschulen, Verlag Tempsky, Wien,1908

Das Bildungsangebot in Bürgerschulen war deutlich höher als in den oberen Klassen der achtklassigen Volksschule (wenngleich meinem Eindruck nach nicht so stark praxisorientiert) und auch die Ausstattung mit Büchern war reichlicher.
Man hielt es im Gegensatz zu den achtklassigen Volksschulen daher für erforderlich unterschiedliche Lehrpläne für Mädchen und Buben einzuführen (Bild links; 1910). Mädchen hatten vor allem weniger Stunden in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern, dafür mehr Handarbeit.
Nach der Umwandlung der Bürgerschulen in vierklassige Hauptschulen 1927 bestand in der ersten Republik (vorübergehend) sogar die Möglichkeit des Übertrittes in ein Gymnasium.

Man darf die Einführung gesonderter Lehrpläne für Buben und Mädchen aber nicht nur unter dem negativen Gesichtspunkt eines gewollt reduzierten Bildungsangebotes für Mädchen sehen.
Einerseits entsprach dieses differenzierte Bildungsangebot einfach den damals gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen und geschlechtsspezifischen Anforderungen. Die Schule wurde (anders als in jüngerer Zeit) nicht als Ort verstanden, an dem gesellschaftspolitische Änderungen initiiert wurden, sondern es sollte im Rahmen des bestehenden Gesellschaftssystems auf konkret zu erwartende Lebensaufgaben vorbereitet werden.
Andererseits belegen moderne Studien, dass auch bei identem Bildungsangebot im Durchschnitt Buben in Mathematik und Naturwissenschaften besser abschneiden, während Mädchen in den anderen Gegenständen, vor allem in den heute so wichtigen Sprachen vorne liegen.
Der gemeinsame Unterricht von Buben und Mädchen (Koedukation) galt jahrzehntelang als idealer Weg, um die völlige bildungsmäßige Gleichbehandlung der Frauen umzusetzen.
Inzwischen tritt ein anderer, neuerer Aspekt in den Vordergrund, nämlich die gezielte Förderung individueller Begabungen. Geht man davon aus, dass es im statistischen Mittel tatsächlich ein geschlechtsunterschiedliches Begabungsprofil gibt, macht die neuerdings wieder diskutierte Modifikationen des Koedukationsmodells Sinn. Vergleiche dazu: Gender und Schule, eine Webseite des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Gender bezeichnet die soziale Geschlechtsrolle und die sozialen Geschlechtsmerkmale, also alles, was in einer Kultur als typisch für ein bestimmtes Geschlecht angesehen wird. Im allgemeinen und abgesehen von hier nicht interessierenden speziellen Konstellationen wird man von einem Zusammentreffen der sozialen und psychologischen mit der biologischen Geschlechtszugehörigkeit ausgehen können.


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