Dideldum
Die lustige Kinderzeitung
Teil 4

Man geht allgemein davon aus, dass Dideldum von Otto Waffenschmied allein gemacht wurde. Es wird zwar für wahrscheinlich gehalten, dass seine Ehefrau Eva an der Zeitung mitarbeitete, vielleicht sogar wesentlichen Einfluss auf deren Gestaltung übte, belegen läßt sich das derzeit aber nicht. Denn abgesehen von vereinzelten Signaturen Waffenschmieds auf den Titelblättern sind die Illustrationen und ständigen Beiträge nicht signiert. Es ist alles auf die fiktive Figur des Onkel Dideldum zugeschnitten, hinter dem sich Waffenschmied verbirgt. Dadurch unterscheidet sich Dideldum von anderen Kinderzeitungen dieser Zeit, die wie etwa die Kinderzeitungen des Verlages Steinsberg eine Vielzahl von Mitarbeitern beschäftigten, und es wird eine für die jungen Leser sehr ansprechende Personalisierung erreicht. Dideldum ist nicht einfach eine Zeitung, an deren Redaktion man schreiben kann, sondern es ist die Zeitung des nicht selten als märchenhafte Figur abgebildeten Onkel Dideldum, den die Leser direkt ansprechen können und der auch gelegentlich in einzelnen Geschichten und Serien selbst auftritt und keinen Zweifel daran läßt, dass er alle Fäden in der Hand hält. Typisch für den Dideldum ist auch, dass sich die Handlungen der Serien und Geschichten bisweilen überschneiden, was ebenfalls daraufhinweist, dass eine einzige ordnende Hand das Konzept gestaltete.
Unterstellt man also, dass Otto Waffenschmied, wenn auch mit Hilfe seiner Frau, die Zeitung allein gestaltete und kaum auf Fremdbeiträge zurückgriff, muss er ein geradezu unglaubliches Arbeitspensum bewältigt haben. Denn es waren bei einer 14- tägigen Erscheinungsweise nicht nur die meist recht aufwendigen Titelblätter und die Illustrationen zu zeichnen und die Korrespondenz mit den Lesern zu erledigen, sondern es mußten auch neben den Bildgeschichten die umfangreichen Texterzählungen erdacht und geschrieben werden.
Bei der Vielzahl des Verfügung stehenden Materials muss jede Auswahl aus diesen Texterzählungen willkürlich bleiben. Aber ich habe zwei Geschichten herausgegriffen, die mir besonders interessant erscheinen. Da ist zunächst die Erzählung aus dem Jahre 1935

Sieben aus einer Schachtel

Das ist eine Geschichte, die von Fürsorge, Trennungsangst, Verlust und Verzicht handelt; wahrhaftig keine Themen, die sich ohne weiteres für eine vergnügliche, kindergerechte Erzählung eignen. Trotzdem gelingt es dem Autor ein modernes Märchen zu erzählen, das es Kindern erlaubt, sich diesen Problemen zu nähern ohne überfordert zu werden, wenngleich ich glaube, dass manches, insbesondere Susens Verhalten auf Kinder recht beunruhigend gewirkt haben muss.

Das Mädchen Suse bekommt zu Weihnachten eine Schachtel, in der sich sieben Spielsachen befinden. Diese Spielsachen haben alle eine eigene Persönlichkeit, streiten miteinander und vertragen sich wieder und verhalten sich so, wie Kinder in einer Gruppe. Suse, eine gute Puppenmutter, hat alle Hände voll zu tun, um diesen Haufen zu bändigen und bei Laune zu halten.

Aber eines nach dem anderen der eigenwilligen Geschöpfe, die die eigentlichen Helden der Geschichte sind, geht verloren. Als erstes trifft es die schöne rote Glaskugel Gullo, die Susens kleiner Bruder beim Spielen verliert. Gullo sinkt schließlich auf den Boden des Flusses:

Neben Gullo lag ein Kiesel, der so flach war wie ein Geldstück. "Guten Tag, Freund" sagte der Kiesel zu Gullo. Gullo aber schaute den Kiesel von oben herab an und sagte: "Hör mal, ich bin eine Kugel!"
Da lachte der Kiesel, so gut es im Wasser eben möglich war, und meinte: "Warte nur ein Jährchen, dann wirst du auch so flach sein wie ich. Hier beim Vater Fluß werden wir alle geschliffen!"
Das war Gullos schreckliches Ende.


Später schenkt Suse eines ihrer Püppchen einer kranken Freundin, was die anderen zurückbleibenden Spielsachen zunächst gar nicht verstehen wollen; sie nennen Suse eine Puppenstiefmutter .
Besonders schlimm ergeht es dem kleinen Stofflöwen Leo. Er wird von Suse in den Zirkus mitgenommen und voller Freude, seine großen Verwandten zu treffen, springt er in den Löwenkäfig um mit den kleinen Löwen zu spielen. Aber ihre scharfen Krallen verletzen ihn und schließlich zerfetzt ihn ein zorniger kleiner Löwe. Weinend geht Suse nach Hause.
Schließlich sind nur noch zwei Spielsachen übrig. Der Kasperl Rattelbatz und die Puppe Christel. Suse beschließt sich auch von diesen beiden zu trennen und sie an jeweils ein anderes Kind zu verschenken. Suse hört nicht auf die Bitten der beiden Puppen, die flehen zu Hause oder doch zumindest beisammen bleiben zu dürfen.

In dieser Situation greift Onkel Dideldum wie ein deus ex machina höchstpersönlich ein. Er erscheint Suse im Traum und überzeugt sie, die beiden Püppchen einem Geschwisterpaar zu schenken, damit sie zusammenbleiben können. So nimmt die Geschichte zumindest für diese beiden einen versöhnlichen Ausgang.
Suse aber behielt die Schachtel der Sieben als Flickschachtel und damit war die Geschichte von den Sieben aus einer Schachtel zu Ende.

Unmittelbar an diese Erzählung schließt die Fortsetzungsgeschichte

Bi - Ba - Bo
Die Geschichte einer kleinen Stadt

an, gleichfalls eine Puppengeschichte.
Ein Lastwagen verliert am Rande eines Zauberwaldes eine Spielzeugschachtel, in der sich ein Osterhase, ein Püppchen und ein Stoffhund befinden. Sie erwachen zum Leben und werden von den Wichtelmännchen, die im Wald wohnen, freundlich aufgenommen. Bald stellt sich heraus, dass bei den Wichteln noch andere Puppen sind, teilweise solche, die zu Ostern versteckt und nicht gefunden wurden, teilweise solche, die einfach im Wald verlorengegangen sind. Diese Puppen beschließen nun mit Unterstützung der Wichtel eine eigene Stadt zu gründen, deren Bürgermeister der Osterhase wird.
In vergnüglicher Weise wird vom Aufbau der Stadt, aber auch von den Schwierigkeiten, ein Gemeinwesen zu organisieren, berichtet. Einmal ist es sogar notwendig, die Zinnsoldaten gegen ein renitentes Äffchen auszuschicken, das ohne Erlaubnis einen Laden eröffnet hatte.
Bald aber bedrohen äoßere Feinde wie Mäuse, Igel und Raubvögel das friedliche kleine Städtchen. Es erweist sich als notwendig zur Verteidigung eine Luftwaffe (einen Spielzeugflieger zum Aufziehen) und einen Spielzeugpanzer, der Feuer spucken kann, anzuschaffen. Schließlich löscht eine Naturkatastrophe das kleine Gemeinwesen aus. Nach schweren Schneefällen verschwindet das Städtchen mit all seinen Bewohnern unter einer dicken Schneedecke.

Im letzten Augenblick erscheinen das Mädchen Suse (wir kennen sie schon aus der vorigen Geschichte) und ihr Bruder Hans, graben die verschütteten Spielsachen aus und nehmen sie mit nach Hause. Onkel Dideldum wendet sich nun direkt an die Leser und erzählt, dass die Kinder von der Puppenstadt geträumt hatten und gekommen waren, sie zu retten. Dazu bemerkt Onkel Dideldum:
"Ich muss es ja wissen, denn ich habe ja selber die Geschichte bisher gesponnen."

In einer weiteren Fortsetzungsgeschichte wird von den Schwierigkeiten zwischen Susens alteingesessenen Spielsachen und den Zuwandereren aus der Puppenstadt erzählt.
Schon aus diesen Beispielen wird deutlich, dass Dideldum, etwa im Vergleich zu den Zeitungen des Verlages Steinsberg: Schmetterling, Papagei und Kiebitz nicht bloß seichte Unterhaltung bot, sondern durchaus pädagogischen Ansprüchen gerecht wurde, indem in spielerischer, märchenhafter Weise reale Probleme thematisiert und den Kindern nähergebracht wurden.


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