Bücher zum Thema:

Deutschsprachige Kinder- und Jugendzeitschriften

Der muss haben ein Gewehr: Krieg, Militarismus und patriotische Erziehung in Kindermedien


Leseprobe, Rezension, Bezugsmöglichkeiten

Hans Kunterbunt

Heitere, nachdenkliche und seltsame Geschichten
1926 bis 1941 (?)

Die Kinderzeitschrift Hans Kunterbunt erschien von September 1926 bis (vermutlich) April 1941 jeden zweiten Dienstag, also zweiwöchig, als Beilage der Tageszeitung Leipziger Neueste Nachrichten im Verlag 'Leipziger Neueste Nachrichten'. Pro Jahr gab es somit 26 oder 27 Hefte. Ab 1939 war bedingt durch die Kriegserreignisse die Erscheinungsfrequenz unregelmäßig.
Daneben konnte Hans Kunterbunt auch als Einzelheft bezogen werden und wurde im Abonnement aber auch über Buchhandlungen und Kioske, sowohl in Deutschland als auch in Österreich vertrieben. Der Ladenpreis für das Einzelheft betrug 10 Pfennig, in Österreich 20 Groschen. Auf diese Weise überschritt Hans Kunterbunt das Verbreitungsgebiet der Leipziger Neuesten Nachrichten erheblich und kann insoferne nicht nur zu den Beilagen, sondern auch zu auch zu den selbständigen Kinderzeitungen gezählt werden.
Jedes Heft hatte 16 Seiten. Die Hefte eines Jahrganges waren durchgehend paginiert, damit sie am Jahresende zu einem Buch gebunden werden konnten. Der Verlag verkaufte sowohl entsprechende Einbanddeckeln als auch komplett gebundene Jahrgänge.

Die Zeitung Leipziger Neueste Nachrichten erschien von 1892 bis 1945 und zählte zu den führenden und auflagenstärksten Tageszeitungen der Zwischenkriegszeit. Sie erschien 7 mal wöchentlich und hatte eine Auflage zwischen 150.000 und 200.000. Die Ausrichtung war konsevativ-national.

Die Bilder oben links und mitte zeigen ganz typische Titelblätter des Hans Kunterbunt aus den Jahren 1931 und 1937. Rechts ein verlagsgebundener Jahrgang. Ein Jahrgang entsprach einem Kalenderjahr, in welchem die Hefte durchgehend nummeriert waren.

Das Logo der Zeitung war ein flötenspielender Kasper, der in einer über die Zeitschrift hinausgehenden Weise bekannt wurde, weil er von der Firma Wendt & Kühn , die sich bei Sammlern von Schnitzarbeiten aus dem Erzgebirge einer gewissen Beliebtheit erfreut, seinerzeit ins Programm aufgenommen und auch in jüngster Zeit wieder produziert wurde.
Besonders in den Jahrgängen 1934 bis 1936 des Hans Kunterbunt finden sich - sozusagen im Gegenzug - werbewirksame Beiträge über die Firma "Wendt & Kühn", teilweise mit umfangreichem Bildmaterial.

Seit 1921 war Der heitere Fridolin, der im Ullsteinverlag erschien, ziemlich unangefochten auf dem Gebiet der peroidischen Kinderzeitschriften gewesen. Mit der Währungsreform von 1924 bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 erlebte die nach dem ersten Weltkrieg darniederliegende deutsche Wirtschaft eine vorübergehende Phase des Aufschwungs die sich auch auf dem Gebiet des Verlagswesens und der Werbung abzeichnete. Betrachtet man den speziellen Sektor der periodischen Kinderzeitschriften einschließlich der sogenannten Werbekinderzeitungen, erschienen im Zeitraum von etwa 1924 bis 1926 zahlreiche neue Kinderzeitungen. Man denke etwa - um nur einige, besonders auflagenstarke zu nennen - an die Kinderwelt, die ab 1926 erschien oder in Österreich an den Regenbogen (1924/25). Dazu kamen die großen Werbekinderkinderzeitungen wie Papagei und Schmetterling (1926) oder Blaubandwoche und Rama-Post (1924/25.
Hans Kunterbunt, der ab 1926 herauskam ähnelte inhaltlich und von der Aufmachung her - bis 1934, dann geriet er in den Sog der nationalsozialistischen Propaganda - stark dem Heiteren Fridolin. Zumindest dem äußeren Anschein nach war Hans Kunterbunt ein Imitat des Heiteren Fridolin, der 1928 sein Erscheinen einstellte.
Mit einer Auflagenhöhe von über 150.000 hatte Hans Kunterbunt gegenüber Mitbewerbern den entscheidendenden Vorteil, dass er in seiner Eigenschaft auch als Beilage einer Tageszeitung über eine gesicherte Grundauflage verfügte.
Ebenso wie Der heitere Fridolin brachte Hans Kunterbunt eine kolportagehaft präsentierte Mischung von Reportagen, Kurzgeschichten, Fortsetzungsromanen, Rätsel, Witzen und Bildgeschichten.
Besonders einige Zeichner, die an dieser Zeitschrift mitwirkten, verdienen Beachtung.

Carl Ernst Fischer, der den Künstlernamen Cefischer verwendete, war einer der meistbeschäftigten Zeichner des Hans Kunterbunt. Er wurde am 7.3.1904 in Frankfurt geboren und ist auch dort am 12.4.1974 gestorben. Nach dem Besuch einer Kunstgewerbeschule war er in der Zwischenkriegszeit als Illustrator und Gebrauchsgraphiker tätig. Er zeichnete für verschiedene Zeitschriften, unter anderem für die "Fliegenden Blätter" und die "Lustigen Blätter". Seit 1937 war er Redakteur und Pressezeichner bei der "Frankfurter Illustrierten". Gegen Ende des zweiten Weltkrieges verlor er bei einem Bombenangriff beide Arme. Er erlernte das Malen mit dem Mund und arbeitete seit 1948 wieder als Zeichner bei der neugegründeten "Frankfurter Illustrierten", für die er die bekannte Figur des Katers Oskar erfand, dessen Erlebnisse als Zeichenserie zehn Jahre lang wöchentlich in der "Frankfurter Illustrierten" erschienen und wiederholt in Buchform aufgelegten wurden. Daneben illustrierte er etliche Kinderbücher, von denen das Bilderbuch "Ping und die Schatzinsel" (1950) das bekannteste ist.
Carl Ernst Fischer war Mitbegründer der Vereinigung der mund- und fußmalenden Künstler und wurde mehrfach ausgezeichnet, 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.
Weniger bekannt sind die umfangreichen und schönen Illustrationen, die er in den 30er Jahren für den Hans Kunterbunt schuf.

Oben zwei ganzseitige Bilder von Carl Fischer für Hans Kunterbunt aus den Jahren 1931 (links) und 1937 (rechts). Unten eine doppelseite Bildgeschichte aus dem Jahr 1931.

Auch "Ping", dem Fischer 1950 ein eigenes Buch widmete, erschien bereits gelegentlich als Episodenstrip im Hans Kunterbunt (Abbildung oben, 1932).

Die beiden Abbildungen oben links und mitte (aus 1931) stammen von dem bekannten Kinderbuchillustrator Toni Wagner Schilffarth, der auch für die (Deutsche) Kinderwelt zeichnete.
Carl Storch (1868 - 1955), von dem die Abbildung rechts (aus 1936) stammt, war ein gut beschäftigter Zeichner des Hans Kunterbunt. Carl Storch arbeitete auch für Magazine wie "Jugend", "Fliegende Blätter" and "Simplicissimus" und schuf das bekannte Kinderbuch "Maus und Molli", in Art von "Max und Moritz"

Die beiden Abbildungen oben (signiert mit 'Lorenz' und 'Kopsch' ) zeigen, dass die Illustrationen im Hans Kunterbunt recht hübsch und kindergerecht waren. Ab 1934 begann sich der bisher unpolitische Charakter der Zeitschrift allerdings zu ändern. Ähnlich wie in der (Deutschen)Kinderwelt tauchen nationalsozialistische Propagandaartikel auf.

Oben: Ausschnitte aus einem Artikel zum ersten Mai "Zum nationalen Feiertag des deutschen Volkes" (Heft 9 aus 1936)

Die obigen Abbildungen stammen aus dem Artikel "Adolf Hitler liebt die Jugend" (Heft 8 aus 1937)
Artikel bzw. Abbildungen der gezeigten Art erschienen nicht in jedem Heft, aber doch regelmäßig. Daneben sind oft Aufforderungen sich an Sammlungen zu beteiligen zu finden und vermehrt Artikel, die in Richtung vormilitärische Ertüchtigungen abzielten. Hans Kunterbunt war voll auf die vorgegebene Linie der nationalsozialistischen Erziehungsideale eingeschwenkt. Vergleiche dazu auch: Kinder und Propaganda, Das Kinderbuch im Dritten Reich

Die obigen Abbildungen zeigen die Hefte 1 und 4 aus 1941. Sie illustrieren eine massive Hinwendung zur Kriegspropaganda nach Kriegsbeginn.

Die Leipziger neuesten Nachrichten erschienen am 18. April 1945 das letzte mal. Die letzte (derzeit) nachgewiesene Ausgabe des Hans Kunterbunt ist die Nr. 4 (April) 1941.
Nach dem Krieg wurden in der sowjetischen Besatzungszone von der deutschen Verwaltung für Volksbildung sämtliche Jahrgänge des Hans Kunterbunt ab 1934 verboten.

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