Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan...

Die Darstellung Schwarzer in der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur

Vorbemerkungen

Kinderbücher spiegeln aus einer ungewohnten Perspektive, meist aber recht deutlich die weltanschaulichen Strömungen jener Zeit wider, in der sie entstanden sind. Denn sie sollen ja auch die Wertvorstellungen der erziehenden Generation an die Kinder weitergeben. Das führt dazu, dass unter geänderten politischen Verhältnissen auch alte Kinderbücher oft einer kritischen Beurteilung unterzogen werden.
Ein Musterbeispiel dafür ist die Darstellung von Menschen schwarzer Hautfarbe im Kinder- und Jugendbuch. Bis in die 70 Jahre des vorigen Jahrhunderts war das im deutschen Sprachraum noch kein breitenwirksames Thema, weil es an zeitaktuellen sozialen Bezügen fehlte. Kaum jemand dachte sich etwas dabei, wenn er von Süßspeisen wie 'Mohr im Schlafrock' oder 'Negerküssen' sprach, in einem Comic Schwarzen als missionarsfressenden Karikaturen begegnete oder seinen Kindern 'Zehn kleine Negerlein' vorlas. Das hat sich grundlegend geändert.
Der Zustrom schwarzafrikanischer Einwanderer und Asylwerber in jüngerer Zeit, die Ablehnung, die ihnen von Teilen der einheimischen Bevölkerung entgegengebracht wird, ihr Ringen um Integration und Bleiberecht und der Umgang staatlicher Stellen mit diesem Problem haben dem bis dahin hierzulande eher theoretisch abgehandelten Thema 'Rassismus gegenüber Schwarzen' eine aktuelle gesellschaftliche Komponente verliehen und auch auf politischer Ebene zu oft recht emotionalen Diskussionen geführt. Von jenen, die für eine liberale Zuwanderungspolitik, im Speziellen für Schwarzafrikaner eintreten, wird dabei sehr erfolgreich jenes hochwirksame Mischsystem aus vorstaatlicher Zensur und Propaganda eingesetzt, das in den letzten Jahrzehnten auch bei uns unter dem Namen Political Correctness bekannt geworden ist. Dabei werden durch gezielte und für verbindlich erklärte Sprachregelungen vorgegebene Meinungsparameter assoziiert. Abweichungen werden unverzüglich gerügt, wobei im konkreten Anwendungsfall 'menschenverachtend', 'rassistisch' und 'fremdenfeindlich' die meistgebrauchten Vorwürfe sind, die, weil sie extrem negativ besetzt sind, dem Gegner durchaus schaden können und daher zu einer gewissen und auch angestrebten Zurückhaltung in der freien (unerwünschten) Meinungsäußerung führen.
Das hat auch dazu geführt, dass manche Ausdrücke, wie zB.: 'Mohr' und 'Neger' als rassistisch assoziiert werden und in welchem Zusammenhang auch immer verpönt sind.
Das bekannte Kinderbuch Zehn kleine Negerlein wird soweit mir bekannt in seiner tradierten Form überhaupt nicht mehr aufgelegt und auch aus Hatschi Bratschis Luftballon wurde die sogenannte Menschenfresserepisode längst entfernt.
Eine Spurensuch in alten Kinderbüchern zeigt ganz deutlich, wie sich das Bild von Schwarzen im Laufe der Zeit geändert und zu bestimmten Zeiten Züge angenommen hat, die nach heutigem Verständnis als ausgesprochen rassistisch zu beurteilen sind.
Versteht man Kinderbücher als Spiegel ihrer Zeit, kommt man also beim Thema "Der Schwarze in deutschsprachigen Kinder- und Jugendbüchern" um eine Befassung mit dem Begriff Rassismus nicht herum.


Zur Einleitung: Ein Querschnitt durch Klischees und Vorurteile am Beispiel einiger Kinderbücher

Diese beispielhaft vorgestellten, tendentiell die kulturelle Unterlegenheit Schwarzer betonenden Klischees wurden zurückgreifend auf Ansichten, die bereits im 18. Jahrhundert formuliert wurden, ab Mitte des 19. Jahrhunderts ausgeformt, erreichten mit dem Eintritt Deutschlands in den Kreis der Kolonialmächte ihren vorläufigen Abschluss und wirkten bis weit in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg fort .

Schwarze sind wie Kinder. Sie bedürfen unserer Anleitung um sie in Religion zu unterweisen und ihnen die Zivilisation näherzubringen. Sie bitten uns geradezu darum (Links: Komm herüber und hilf uns!, Neues Missions-Bilderbuch, 1893).
Sie haben allerdings auch gewisse Unarten. Bisweilen fressen sie Weiße, die zu ihnen kommen (Mitte: Trulala, Lothar Meggendorfer, 1902. "Herr Kamphor ging nach Afrika, Was ihm passierte sieht man da. Vergeblich sucht er sich zu wehren, Man hat den Wunsch ihn zu verzehren." ).
Manchmal empören sie sich sogar gegen ihre weißen Herrn und Wohltäter und machen einen regelrechten Negeraufstand. Dann müssen sie natürlich mit aller Härte auf ihren Platz verwiesen werden (Rechts: Ein deutscher Robinson, 1914; die Niederschlagung des Herero-Aufstandes).

Natürlich sind diese Schwarzen keine ernstzunehmenden Gegner und wir können fröhlich singen: "Maikäfer, fliege! Soldaten sind im Kriege, Schießen auf die Hottentotten, Die durch Sand und Büsche trotten.." ( Oben links: Kiwitt! Ein Scherzbuch für Kinder, 1905)
Überhaupt ist es notwendig, ihnen mit der gerechtesten Strenge die Grundbegriffe von Recht und Ordnung beizubringen: "Acht kleine Negerlein wußten nichts von Dieben / Einer stahl und ward gehängt, da warens' nur noch sieben." (Rechts: Die zehn kleinen Negerlein, in der Version von Heinrich Hussmann, 1925)
Aber auch ein Schwarzer kann durchaus zu einem treuen, gottesfürchtigen Diener werden, der es verdient, menschlich behandelt zu werden (Rechts: Onkel Toms Hütte)

Negerkinder sind niedlich. Sie kommen zwar so wie im Falle der 10 (oder 12) kleinen Negerlein oft durch eigenen Unverstand ums Leben, aber dann kommen sie (manchmal) in den Himmel, wo sie von (weißen) Englein begrüßt werden (Links und Mitte: Die zwölf kleinen Negerlein, Fritz Gareis, 1910(?)
Als Negerpüppchen sind sie besonders unproblematisch und man kann sie richtig lieb haben (Rechts: Marinas Negerpuppe, um 1960).

Schwarze sind Witzfiguren, wenn sie versuchen, die Zivilisation des weißen Mannes zu imitieren und mit Zylinder, Gamaschen und Regenschirm herumstolzieren (Links: Titelzeichnung der Kinderzeitung Kiebitz, Heft 21 aus 1940).
Als Musikanten haben sie gewisse Talente - wenn man diese Art Musik mag (Mitte: Zehn kleine Negerlein, um 1960. In dieser Version von James Krüss brauchen die Negerlein nicht mehr zu sterben; man kann sie als Musikkapelle verwenden).
Und in der Werbung sind Schwarze allemal zu den Begriffen "schwarz und stark" einsetzbar´ (Rechts: Werbebilderbuch einer Kaffeefirma; 30er Jahre).

Wenngleich diese Beispiele deutschsprachigen Kinderbüchern entnommen wurden, unterscheidet sich diese Einstellung Schwarzen gegenüber nicht wesentlich von jener in anderen europäischen Staaten, insbesondere der Kolonialmächte.

Die Wahrnehmung Schwarzer bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhundert

In der christlich geprägten und von kolonialen Erfahrungen mit Schwarzen noch weitgehend unbeeinflussten Tradition des deutschen Sprachraumes bestanden bis ins 19. Jahrhundert keine grundsätzlichen Ressantiments gegen dunkelhäutige Menschen. Wird doch schon - wie bibelfeste Leute wussten - in Salomos Hohelied mit berührenden Worten eine dunkelhäutige Schönheit besungen (..Ich bin braun, doch anmutig und hübsch...Seht mich nicht an, weil ich so schwarz bin...Mein Geliebter ist weiß und rosig..). Gerne wird darüber spekuliert, ob sich darin die legendäre Liebesbeziehung Salomos zu der gleichfalls legendären Königin von Saba widerspiegelt, die schön, klug, unermesslich reich und vor allem schwarz gewesen sein soll.
Auch wird traditionell einer der heiligen drei Könige (der Weisen aus dem Morgenland) als Schwarzer dargestellt, ebenso wie wie der heilige Mauritius, der als Offizier der Thebanischen Legion den Märtyrertod erlitten haben soll.


Links: König Salomo und die Königin von Saba auf einer Darstellung des Verduner Altars © Stift Klosterneuburg bei Wien (12. Jhdt).

Mitte: Die Anbetung der Könige: (1)Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: (2)Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten...... (10)Als sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut (11)und gingen in das Haus und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. (Matthäus, Kapitel 2)

Rechts: Die Heiligen Erasmus und Mauritius in einer Darstellung von Matthias Grünewald (16.Jhdt.)

Ab dem Spätmittelalter entstanden eine Reihe von Wappen für Adelsgeschlechter, Städte, geistliche Würdenträger und Stifte, die einen Mohrenkopf zeigen und bis heute in Verwendung stehen. Der Ursprung dieser Darstellungen ist oft ungewiss. Es wird in diesen Fällen vermutet, dass es sich um Reminiszenzen an die Teilnahme an einem Kreuzzug, einen Namen des Wappenträgers, der an Mohr erinnert oder einfach um eine zunächst farbliche Fehlinterpretation einer älteren Vorlage handelt. Wesentlich ist, dass ein (oft gekrönter) Mohrenkopf als durchaus angemessene Wappenzier angesehen wurde.
Rechts: Der heilige Mauritius im Wappen von Coburg.

Unter Mohr verstand man damals alle dunkelhäutigen Menschen, ursprunglich Mauren, später wurden zur besseren Unterscheidung Schwarzafrikaner auch als 'schwarze Mohren' bezeichnet. Eine darüberhinausgehende Differenzierung nach Rassen, welche ja erst die eigentliche Grundlage für die vergleichende Beurteilung der Rassen und damit für jede Form von Rassimus ist, war damals noch nicht üblich.
So verwunderte es auch niemand besonders, dass in Shakespeare's Othello, das Werk wurde 1766 erstmals in Deutschland aufgeführt, der tragische Held der Handlung ein Mohr war, der überdies eine schöne Weiße zur Frau hatte.
In Mozarts Zauberflöte, das Werk wurde 1791 uraufgeführt, begegnet uns schon eine etwas andere Sicht der Dinge. Der Mohr Monostatos ist ein arger Bösewicht, aber er leidet auch darunter, dass er schwarz und daher häßlich ist (Monostatos: Alles fühlt der Liebe Freuden, Schnäbelt, tändelt, herzt und küßt; Und ich sollt' die Liebe meiden, Weil ein Schwarzer häßlich ist!....Sarastro: Ich weiß nur allzuviel. Ich weiß, daß deine Seele ebenso schwarz als dein Gesicht ist. Geh!)


Im 17. und 18. Jahrhundert war es an adeligen Höfen Mode, einen Hofmohren in Dienst zu haben. Wenngleich primär das exotisch Aussehen dieser Leute Anlass war, sie in Dienst zu nehmen, gereichte ihnen ihre Hautfarbe nicht zum Nachteil und sie konnten, wenn sie tüchtig waren, durchaus Karriere machen und zu gesellschaftlichem Ansehen kommen.

Bekannt ist die Geschichte des Angelo Soliman, dem Fritz von Herzmanovsky-Orlando in dem skurrilen Bühnenwerk »Apoll von Nichts oder Exzellenzen ausstopfen - ein Unfug« ein literarisches Denkmal gesetzt hat. Angelo Soliman wurde um 1721 vermutlich in Nigeria geboren, geriet im Zuge von Stammeskriegen in die Sklaverei, wurde nach Europa freigekauft, ausgebildet und gelangte im Dienste der Fürsten von Liechtenstein unter anderem als Prinzenerzieher zu Rang und Ansehen. Er war mit Kaiser Josef II bekannt, hatte Umgang mit zahlreichen Persönlichen aus Kunst und Wissenschaft und war - ebenso wie Mozart - Mitglied einer Freimaurerloge. Er heiratete eine achtbare (weiße) Dame und hatte mit ihr eine Tochter.
Ein schönes Beispiel für den vorurteislosen Umgang mit schwarzen Menschen im Wien des 18. Jahrhunderts, wäre da nicht der Unfug - wie es Herzmanovsky-Orlando formulierte - mit dem Ausstopfen gewesen. Denn unmittelbar nach seinem Tode 1796 wurde Soliman ausgestopft und trotz des flehentlichen Einspruches seiner Tochter in pseudoafrikanischer Tracht im Kaiserlichen Naturalienkabinett ausgestellt. Dieser Teil der Geschichte wird gerne von dem Ausruf begleitet: "Und sie waren ja doch Rassisten!" Ganz so wird es aber wahrscheinlich nicht gewesen sein. Obwohl die Quellenlage nicht eindeutig ist, gibt es gute Gründe anzunehmen, dass Soliman diesem Vorgehen vor seinem Tode zugestimmt hatte. Denn das Ausstopfen von Menschen ungewöhnlichen Körperbaus oder fremdländischen Aussehen war damals nichts Ungewöhnliches und das Kaiserliche Naturalienkabinett war - aus damaliger Sicht - ernsthaft um wissenschaftliche Seriosität bemüht und alles andere als eine Kuriositätenbude. Angesichts des Plastinariums eines Gunther von Hagens, das bei den damaligen Gestaltern von Naturalienkabinetten wohl nur Entsetzen ausgelöst hätte, sollten wir über die Tatsache dass damals vereinzelt auch ausgestopfte Menschen als Exponate dienten, nicht allzu schockiert sein.
Wie auch immer, die Geschichte fand im Revolutionsjahr 1848 ein Ende, als kaiserliche Truppen unter Fürst Windischgrätz das aufständische Wien mit schwerer Artillerie sturmreif schossen, wobei Solimans Überreste verbrannten. Er würde sonst noch heute , davon bin ich überzeugt, verborgen und wohlverwahrt in einem der musealen Depots Wiens stehen, gemeinsam mit vielen anderen Zeugen der Vergangenheit, über die man nicht gerne spricht.

Eine andere gut dokumentierte Geschichte ist jene des vermutlich um 1725 geborenen Schwarzen Ignatius Fortuna, der als Kind nach Deutschland kam und im Dienste der Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach, Karriere machte. Er starb 1789, Jahre nach dem Tode der Fürstäbtissin als angesehener und wohlhabender Mann in Steele. Das Schicksal eines Angelo Soliman blieb ihm erspart. Er wurde nächst der letzten Ruhestätte seiner Förderin in allen Ehren beigesetzt.


Zuletzt soll von dem schwarzen Sklavenmädchens Machuba erzählt werden.
Der Fürst Hermann von Pückler-Muskau war Abenteurer, Reisender, Schriftsteller, begnadeter Gartengestalter, hatte zahlreiche Affäiren und galt als Lebemann. Er war mit einem Wort eine schillernde Persönlichkeit. Auf einer seiner Orientreisen erwarb er 1837 auf einem Sklavenmarkt ein blutjunges schwarzes Mädchen, das höchstwahrscheinlich aus Äthiopien stammte und noch keine 14 Jahre alt war. Er nahm das Kind, das nunmehr als Freigelassene galt (Sklaverei war seit dem Wiener Kongress 1815 in Europa verboten), auf seinen Reisen mit, unterrichtete es und machte das Mädchen, das er schließlich auch nach Europa brachte, zu seiner Geliebten.
Der naheliegenden Kritik, die man an Pückners Verhalten üben könnte, wird allerdings dadurch die Schärfe genommen, dass nach übereinstimmender Auffassung von Zeitzeugen und Biografen das ungleiche Paar durch eine tiefe gegenseitige Zuneigung verbunden war, weshalb man die Sache ohne allzu sehr zu moralisieren als eine - wenngleich ungewöhnliche - Liebesgeschichte gelten lassen kann.
Natürlich löste das öffentliche Auftreten Pückners mit 'seinem Sklavenmädchen' einen Skandal aus. Es war aber ein Skandal jener Art, den die meisten Leute mochten. Während Pückner im heimatlichen Preußen mit Rücksicht auf seine geschiedene Gattin eine gewisse Diskretion wahren musste, führte er Machuba in Wien, wo sich das Paar eine Zeit lang aufhielt, in die vornehme Gesellschaft ein und soll sie auch bei Hofe vorgestellt haben. Ihre schwarze Hautfarbe stand dem nicht im Wege und sie galt als exotische, anmutige Erscheinung. Es ging das Gerücht - genaueres wusste man nicht - dass sie vielleicht sogar eine in die Sklaverei geratene Prinzessin sei. In jener Zeit war es so, dass Standesunterschiede weit höhere Schranken aufwarfen, als Unterschiede in der Hautfarbe. Hätte Pückner eine Weiße geringen Standes, etwa eine Magd zu seiner Geliebten gemacht und versucht sie in die Gesellschaft einzuführen, wäre ihm wohl nur eisige Ablehnung entgegengeschlagen.
Die Geschichte nahm ein trauriges Ende. Machuba starb sehr jung, nämlich am 27. Oktober 1840 auf Schloss Muskau an Auszehrung (höchstwahrscheinlich Tuberkulose - eine damals häufige Todesursache) und wurde tiefbetrauert von ihrem Geliebten im Schlosspark, wo heute noch ihr Grab zu sehen ist, beigesetzt.

Links:Angelo Soliman; Mitte: Machuba; Rechts: Fürstäbtissin Franziska Christine von Pfalz-Sulzbach mit Ignatius Fortuna

Bereits im 18. Jahrhundert wurden auf wissenschaftlicher Ebene jene Gedanken entwickelt, auf welchen die Vorstellung von der Überlegenheit der weißen Rasse fußt. Diese Auffassung setzte sich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts allgemein durch, ohne allerdings besondere Auswirkungen in der gesellschaftlichen Realität zu haben. Die relativ wenigen Schwarzen, die ins Land kamen und meist unter dem Schutz adeliger Herrn standen, wurden mit gelassener Toleranz behandelt. Sie befanden sich zwar in der Regel in dienender Funktion, das entsprach aber der damaligen Gesellschaftsstruktur. Ihre Hautfarbe stand weder einer Karriere noch einem gesellschaftlichen Aufstieg entgegen.
In Kinderbüchern jener Zeit finden wir Mohren meist in maurischer Tracht in ABC Büchern - natürlich für den Buchstaben 'M' und Schwarzafrikaner in geografisch- naturgeschichtlichen Büchern, wobei Wert auf eine möglichst detailgenaue Zeichnung gelegt wurde. Eine Tendenz, die man als rassistisch einstufen könnte, habe ich in den mir zugänglich gewordenen Kinderbüchern jener Zeit nicht feststellen können und das hätte auch gar nicht der damaligen Einstellung entsprochen.
Diese Einstellung Schwarzen gegenüber begann sich grundlegend erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu wandeln, als sich Deutschland anschickte Kolonialmacht zu werden.



Entstehung und Ansätze zur Überwindung der Rassenlehre und des Rassismus

Die Erforschung der Welt im 18 Jahrhundert und die Katalogisierung der vorgefundenen Lebewesen legten es nahe, die Vielzahl der verschiedenartigsten Tiere und Pflanzen in eine systematische Ordnung zu bringen und zueinander in verwandtschaftliche Beziehungen zu setzen. Bereits 1735 veröffentlichte Carl von Linné sein Werk "Systema Naturae", in welchem er die Grundlagen für ein Klassifikationssystem schuf, das in modifizierter Form auch heute noch Anwendung findet. Die unterste Gruppe dieses Gliederungssystems stellt die Art dar. Im allgemeinen versteht man darunter Lebewesen, die sich untereinander nicht nur paaren, sondern auch fortpflanzungsfähige Nachkommen hervorbringen können. Mischlinge aus verschiedenen Arten, die sich paaren können, sind in der Regel unfruchtbar, wie etwa Maulesel und Maultier, die von Pferd und Esel abstammen.
Nun war es augenfällig, dass es innerhalb der verschiedenen Arten Gruppen gab, die sich ungeachtet ihrer Fähigkeit gruppenüberschreitend zeugungsfähige Nachkommen hervorzubringen, doch deutlich im Aussehen und in ihrer Wesensart unterschieden. Die Unterschiede - man spricht von phänotypischen Merkmalen - entstehen dort, wo sich eine Population im Rahmen eines begrenzten Genpools und ohne wesentlichen Austausch mit anderen Populationen derselben Art fortpflanzt. Diese Erfahrung stammte primär aus der Nutz- und Haustierhaltung, wo gezielt bestimmte Eigenschaften in Aussehen, körperlicher Leistungsfähigkeit und Wesensart herausgezüchtet werden. Man führte zu deren Unterscheidung Begriffe wie Unterart oder Rasse ein. So gross die äußeren Unterschiede zwischen einzelnen Rassen im Einzelfall auch sind, war (und ist) es nicht möglich, eine allgemein gültige Regel aufzustellen, wann von einer (anderen) Unterart zu sprechen ist. Besonders in freier Natur, wo der Mensch nicht manipulierend eingreift sind hier die Grenzen oft fließend.
Von da war es nur ein kleiner Schritt, die neuen Einteilungskriterien auch auf den Menschen anzuwenden. Die davor gelegentlich geäußerte Vermutung, Schwarzafrikaner gehörten überhaupt einer anderen Art an, ließ sich angesichts der Fähigkeit des gesamten Menschengeschlechtes sich ungeachtet äußerer Unterschiede fortpflanzen zu können, nicht aufrechterhalten. Die körperlichen Unterschiede - vor allem der Hautfarbe - zwischen Weißen, Asiaten und Schwarzen legten aber die Einteilung in Rassen nahe, die alsbald weiter unterteilt wurden.

Diese verschiedenen Unterarten der Spezies Mensch wurden nun beschrieben, nicht nur nach äußeren Kriterien, sondern auch in Bezug auf körperliche, geistige und kulturelle Leistungsfähigkeit. Es war unvermeidlich, dass dabei eine Wertung vorgenommen wurde, wobei sich der europäische Weiße natürlich den Spitzenplatz sicherte, womit die Grundlage für jeden Rassismus geschaffen war. In jener Zeit kam auch der Ausdruck 'Neger' für Schwarzafrikaner in Gebrauch (negroide Rasse).
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es nicht primär Naturwissenschaftler waren, die diese Sicht der Dinge propagierten, sondern führende Philosophen und Theoretiker, wobei vor allem Immanuel Kant (1724–1804) und Georg W. F. Hegel (1770–1831) zu nennen sind.
Der Kolionalismus und die damit verbundene Versklavung und Verschleppung von Schwarzafrikanern - man denke nur an den Süden der Vereinigten Staaten von Amerika - verstärkte die abschätzige Beurteilung Schwarzer, insbesondere als auch Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts in den Kreis der Kolianialmächte eintrat. Gleichzeitung wurde eine Art pseudomoralische Rechtfertigung für den - man muss aus heutiger Sicht wohl sagen verbrecherischen - Umgang mit Schwarzen gefunden.
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit dem sich anbahnende Ende der Kolonialzeit und unter dem Eindruck der Auswirkungen der Rassenideologie des dritten Reiches setzten Bestrebungen ein, jede Form von Rassismus zu überwinden. Der ursprüngliche Weg, die völlige Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen, unabhängig von ihrer Rasse zu betonen, schien zunächst ungenügend, behielt er doch die Einteilung des Menschengeschlechtes in Rassen bei und schien von seiner Argumentation her nicht geeignet, eine wertende Unterscheidung der Rassen aus den Köpfen der Menschen zu verdrängen. In Konsequenz wurde daher nach Ende des zweiten Weltkrieges versucht die Unterteilung der Menschen in Rassen völlig 'abzuschaffen' (Rassenmanifest der UNESCO). Wegen der unübersehbaren Verschiedenheiten in den Populationsgrupen der Menschheit und der Notwendigkeit diesbezügliche Diskriminierungsverbote festzuschreiben, kehrte man aber schließlich zum Begriff der Rasse zurück, zumal andere Abgrenzungskriterien, wie 'ethnische Gruppen' mehr Probleme aufwarfen, als sie lösten ('Statement of race' der UNESCO von 1951). In den Diskriminierungsverboten der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Verfassungen vieler Staaten findet sich daher noch immer der Ausdruck "Rasse". Das hat seinen Grund auch darin, dass es problematisch ist und zu Missinterpretionen Anlass geben könnte, wollte man das Verbot, einen Menschen auf Grund seiner 'Rasse' zu diskriminieren, entfernen.
Der an der Universität von Oxford lehrende Professor Dr. John Randal Baker veröffentlichte noch 1974 sein höchst umstrittenes Werk Race (deutsch: Die Rassen der Menschheit), in welchem er in Bezug auf die intellektuelle und kulturelle Leistungsfähigkeit der nach äußeren Kriterien und Siedlungsgebieten definierten Menschentypen eine wertende Unterscheidung vornahm und damit Positionen der traditionellen Rassenlehre vertrat.
In der Folge versucht man den Begriff 'Rasse' dadurch zu entschärfen und wertneutral zu machen, dass er nicht statisch, unveränderlich, sondern als dynamisch, evolutionäres Übergangsstadium definiert wurde. Dessen ungeachtet gibt es in den letzten beiden Jahrzehnten wieder starke, leider bisweilen vordergründig argumentierende und von der Tagespolitik bestimmte Tendenzen, sich vom Rassenbegriff zu lösen. Gestützt auf wissenschaftliche Untersuchungen, die in jüngerer Zeit durch genetische Befunde ergänzt wurden, wird die These aufgestellt, es gäbe überhaupt keine solchen Unterschiede innerhalb der Art Mensch, die eine weitere Unterteilung in Unterarten oder Rassen rechtfertigen würde. Unterschiede in der Hautfarbe werden dabei für belanglos erklärt. Parallel dazu werden Ausdrücke wie Rasse oder Mischling im Zusammenhang mit Menschen verpönt und es wird versucht, sie aus dem offiziellen Sprachgebrauch und den Schul- und Lehrbüchern zu verdrängen.
In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde beispielsweise mit massivem medialem und politischem Druck die Schließung des sogenannten Rassensaales im Naturhistorischen Museum in Wien betrieben. Es folgt ein Auszug aus einer diesbezüglichen parlamentarischen Anfrage. Ich darf Sie einladen, die Art der Fragestellung zu beurteilen und die Fragen selbst und für sich zu beantworten:

"...Im Schausaal für Kinder werden drei Großrassen - 'Europide', 'Mongolide' und 'Negride' - in einer implizit hierarchisierenden Darstellungsweise auf weißem, gelbem und schwarzem Hintergrund vorgestellt. Worin sehen Sie den pädagogischen Wert der anthropologischen Ausstellung für Kinder, in der offensichtlich eine unwissenschaftliche, fälschlich vereinfachte und hierarchisierende Darstellung von 'Rassen' gezeigt wird?......
Die Abgrenzung (Diskriminierung!) und Klassifiizierung von Menschengruppen anhand äußerlicher Merkmale, und damit das Konstrukt 'Rasse' selbst, sind notgedrungen reduktionistisch, scheinen untrennbar mit einer Hierarchisierung verbunden und dadurch sehr geeignet jeglichem Rassismus Vorschub zu leisten. Finden sie die Verwendung des Begriffes 'Rasse' als wissenschaftliche Kategorie nach wie vor vertretbar?.....
Ausgehend von neueren wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen, daß es keine wertneutrale Wissenschaft gibt (Woolgar, Foucault, Harding etc.), kann es auch den in der Antwort auf die Anfrage von Oktober 1993 postulierten und oben zitierten 'wertneutralen Rassebegriff' nicht geben. Wie verträgt sich Ihr 'wertneutraler Rassebegriff' mit der modernen Wissenschaft?..."


Anthropologen, Archäologen und Historiker, die sich mit dem Ursprung des Menschengeschlechtes, seiner Ausbreitung und den Wanderbewegungen der Völker beschäftigen, sehen sich dadurch vor ein gewisses Formulierungsproblem gestellt, wenn sie typische Populationsmerkmale in einer den anfechtbaren Begriff 'Rasse' vermeidenden Art umschreiben wollen. Sie behelfen sich mit Formulierungen wie "....weist genetische Merkmale auf, wie man sie sonst nur bei der heutigen Bevölkerung des......findet".
Die meist an den biologischen Rassenbegriff gekoppelte Lehre von der unterschiedlich verlaufenden kulturellen Evolution stellt einen weiteren Diskussionspunkt dar. Da die Verschiedenheiten der kulturellen Äußerungen, insbesondere im Vergleich zwischen der europäischen und der schwarzafrikanischen Kultur nicht zu bestreiten sind, wird versucht, deren grundsätzliche Gleichwertigkeit darzutun, wofür die sogenannte 'moderne Kunst' einige Argumente zu liefern scheint.

Fremdenangst, Fremdenfeindlichkeit oder Fremdenhass ( Xenophobie ) schließlich, hat nur periphär etwas mit Rassimus zu tun. Nach gängiger Auffassung handelt es sich dabei um ein kulturell bedingtes, soziales Fehlverhalten, das durch entsprechende Meinungsbildung zu korrigieren ist. Ansichten, wonach die Wurzeln tiefer sitzen und es sich dabei um ein stammesgeschichtliches Erbe handelt, das evolutionäre Vorteile brachte, wofür die deswegen stark gescholtene vergleichende Verhaltungsforschung Belege zu liefern glaubte (zB. Irenäus Eibl-Eibesfeldt), können unter den Rahmenbedingen der politischen Korrektheit kaum objektiv diskutiert werden. Zu gross ist die Gefahr, dass daraus neuerlich eine wissenschaftliche Rechtfertigung für die Ablehnung Fremder abgeleitet wird.
Inzwischen wird versucht den Begriff 'Rasse' in Bezug auf Menschen überhaupt (nur) als korrekturbedürftiges und auch korrigierbares soziales Konstrukt zu definieren.
Unten ein Ausschnitt aus einem Schulbuch, zum Unterrichtsgebrauch zugelassen für die 8. Klasse der allgemeinbildenden höheren Schulen, © Österreichischer Bundesverlag 1992.


Schwarze in Kinderbüchern des ausgehenden 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts


Links: Gumal und Lina, Kaspar Lossius, 1795 'Eine Geschichte für Kinder, zum Unterricht und Vergnügen'. Religiöse, ethische und soziale Wertvorstellungen werden in kindergerechter Form vermittelt, wobei dem belehrenden Greis als fiktive Ansprechpartner Schwarze dienen, weil diese 'noch keine richtige und gegründete Erkenntnis von Gott und den Wahrheiten der Religion hatten'. Das Buch steht in der Tradition der Aufklärung, Schwarze werden nicht abschätzig beurteilt, sie bedürfen aber - wie Kinder - der Belehrung und Unterrichtung.
Mitte: Naturgeschichte für Kinder, Georg Raff, 1778 mit zahlreichen im wesentlichen unveränderten Neuauflagen bis Mitte des 19. Jhdts. Mit möglichst detaillierten Bildern wird versucht Kindern die Vielfalt der Welt und auch fremder Völkerschaften zu zeigen.
Rechts:Onkel Toms Hütte, Harriet Beecher-Stowe, 1852. Die Versklavung von Schwarzen wurde bis in die Mitte des 19 Jhdts. in der deutschsprachigen Literatur recht naiv und ohne die tatsächlichen Umstände zu beachten oder zu begreifen dargestellt. Man ging davon aus, dass Schwarze in ihrem natürlichen Umfeld, unwissend, ungläubig und ohne die Segnungen der westlichen Zivilisation ein hartes unglückliches Leben führten. Gerieten sie meist durch eigene Schuld, bzw. durch die Schuld anderer schwarzer Stämme in die Sklaverei, fänden sie bei ihren weißen Herrn zwar nicht immer, aber oft bessere Lebensbedingungen vor, als in Freiheit. Diese Sicht der Dinge wurde durch 'Onkel Toms Hütte' zurechtgerückt. Das Buch fand weiteste Verbreitung und wurde - bis heute - auch im Deutschen ein Klassiker der Jugendliteratur. Von den damaligen Kolonialmächten und dem amerikanischen Süden heftig angefeindet, wurde Beecher-Stowe's Kritik an der Sklaverei in Deutschland, das damals noch keine Kolonialmacht war, aufgegriffen und die Sympathie gehörte eindeutig den versklavten und geschundenen Schwarzen . Die Hauptfigur des Romanes, ein schwarzer Sklave, wurde als gläubiger Christ, seinem Herrn treu ergeben und aufopferungsbereit geschildert. Das kam einerseits dem Gefühl für die grundsätzliche Überlegenheit der weissen Rasse entgegen und spiegelte andererseits eine Haltung wider, an der sich im übertragenen Sinn auch so mancher deutsche Untertan ein Beispiel nehmen konnte.

Links: Im Struwwelpeter, Heinrich Hoffmann, 1845 findet sich die bekannte Episode von den 'schwarzen Buben'. Weil sie den 'kohlpechrabenschwarzen' Mohrenknaben wegen seiner Hautfarbe verspotteten, wurden sie vom 'großen Nikolas' in ein Tintenfass getunkt, sodass sie 'noch viel schwärzer' waren 'als das Mohrenkind'. Die Moral von der Geschicht' ist eindeutig und gereicht Hoffmann zur Ehre: Man soll jemand wegen seiner Hautfarbe nicht verspotten, oder gering achten.
Rechts: Bildausschnitt aus Fips, der Affe, Wilhelm Busch, 1879. Die Darstellung Schwarzer, vor allem in Bilderbüchern begann sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu wandeln. Hatte man bisher eher realistische Abbildungen angestrebt, nahmen Schwarze jetzt oft karikaturhafte Züge an. Diese Tendenz findet sich vor allem in humoristischen Zeitschriften und ist zunächst noch nicht abschätzung gemeint. Denn die spöttisch überzeichnete Darstellung machte auch vor einheimischen Typen nicht halt, die oft weit bösartiger karikiert wurden als Schwarze. Trotzdem bildete sich eine eine Art Ikonographie heraus, die später in kindergerechten Publikationen, hauptsächlich in manchen Bilderbüchern und in comicartigen Bildgeschichten übernommen wurde. Schwarze wurden darin mit überbetonten Kulleraugen, wulstigen Lippen und Kraushaar gezeichnet.

Oben: Jambo und Jumbo, Egon Hugo Strassburger, Bilder von Hermann Fenz, Brandus'sche Jugendbucher, herausgegeben von 'Jugend und Kunst', Berlin 1909
Unten: Aus dem Gartenlaube-Bilderbuch Die zehn Negerbuben von Arpad Schmidhammer, 1903

Schwarze in Kinderbüchern des ausgehenden 19. und in der erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Das Deutsche Reich trat erst ab 1884 in den Kreis der großen europäischen Kolonialmächte ein und erwarb innerhalb kürzester Zeit ausgedehnte überseeische Besitzungen. In Afraka waren das: Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Witu, Kamerun, Togoland. Die Inbesitznahme folgte meist einem allgemein geübten Prozedere. Private Handelsniederlassungen wurden zunächst zu Schutzgebieten erklärt und später direkt der staatlichen Verwaltung unterstellt. Gleichzeitig wurde eine auch territoriale Interessensabgleichung mit anderen in der gleichen Region agierenden Kolonialmächten gesucht und mit militärischer Bedeckung durch die Schutztruppen die Besiedelung und Verwaltung auf das Hinterland ausgedehnt. In vielen Fällen bildete ein mit einheimischen Häuptlingen und anderen Repräsentanten geschlossener Schutzvertrag die rechtliche Grundlage hiefür.
Das Landesinnere konnte allerdings nur schrittweise unter die Kontrolle der deutschen Kolonialherrn gebracht werden. Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung und Aufstände, denen mit militärischen Mitteln begegnet wurde, waren keine Seltenheit. Nomadisch lebende Hirtenvölker, die keine Vorstellung von den europäischen Rechtsbegriffen über den Besitz an Grund und Boden hatten, verkauften ganze Landstriche an deutsche Siedler, versuchten aber dessen ungeachtet ihre Herden weiter auf diesem Land weiden zu lassen.
Einen Höhepunkt in dieser konfliktträchtigen Entwicklung stellte der Herero - Aufstand von 1904 in Deutsch-Südwestafrika dar. Die Hereros brannten deutsche Ansiedlungen nieder und töteten zahlreiche Weiße. Die zahlenmäßig schwachen deutschen Schutztruppen waren der Situation nicht gewachsen, weshalb die deutsche Regierung innerhalb kürzester Zeit Truppen entsandte, die mit großer Härte gegen die Aufständischen vorging. Nach schweren Kämpfen zogen sich die überlebenden Hereros zurück und kamen grossteils beim Versuch britisches Gebiet zu erreichen in einem wüstenähnlichen Landstrich ums Leben.
Diese Erfahrungen übten entscheidenden Einfluss auf die Einschätzung Schwarzer aus. Obgleich schon lange die Vorstellung bestand, dass die weiße Rasse der schwarzen in vielerlei Hinsicht überlegen sei, war man den wenigen Schwarzen, die ins Land gekommen waren, bisher mit unbefangener Toleranz begegnet und hatte sie im allgemeinen weder ausgegrenzt noch ihren sozialen Status über die Hautfarbe definiert. In den Kolonialgebieten waren Schwarze aber den Weißen grundsätzlich untertan, hatten ihnen zu dienen und ihren Anordnungen zu folgen.Es war daher legitim, Schwarze, die ungehorsam oder gar aufständig waren, zu strafen oder zu töten. Dadurch wurde die bisher eher akademische Diskussion über das Verhälnis der Rassen zueinander auch im Mutterland auf eine breite Basis gestellt und jenes Gedankengut, das man als rassistich bezeichnet, dauerhaft in den Köpfen verankert.
Bleibt anzumerken, dass Österreich - Ungarn keine Kolonien erworben hat. Die Expansionsbestrebungen der Doppelmonarchie waren ohnehin immer mehr in Richtung Balkan gerichtet gewesen, was von manchen als innerkontinentaler Kolonialismus bezeichnet wird. Abgesehen von der Frage, ob der von Nationalitätenkonflikten gebeutelte Vielvölkerstaat Ende des 19. Jhdts überhaupt noch die aussenpolitsche und militärische Kraft dazu besessen hätte, musste die Vorstellung, sich auch in Übersee mit widerspenstigen Völkerschaften herumzuschlagen, besonnen Politikern in Wien wenig verlockend erscheinen.

Links: Der Feldzug gegen die Hereros, herausgegeben vom Großen Generalstabe, Berlin
Mitte Abbildung aus dem Jugendbuch Schwere Zeiten: Schicksale eines deutschen Mädchens in Südwestafraka, Elise Baker, 1913. Die Erlebnisse eines Mädchens während des Herero - Aufstandes.
Rechts: Das Jugendbuch Peter Moors Fahrt nach Südwest, 1906, Gustav Frenssen. Eine Erzählung aus dem Krieg gegen die Hereros. Das Buch wurde ein Bestseller und machte seinen Autor zu einem der beliebtestenn 'Kolonialautoren'.

Links: Aus Kamerun, 1885, Christian Wilhelm Allers. Es ist die älteste mir bekannte deutschsprachige Kinderbuchversion von 'Zehn kleine Negerlein'. Das 8. Negerlein wird vom Bauern totgeschlagen, weil es Rüben gestohlen hat.
Mitte: Die Vollrads in Südwest, 1910, Henny Koch. Eine Erzählung für junge Mädchen. In einem Gespräch zwischen Vater und Tochter wird die Auslöschung des Herero- Stammes reflektiert und mit dem Recht des Tüchtigeren und Fleißigeren, das in der ganze Natur gilt und ein Grundprinzip der Geschichte ist, begründet.
Mit dieser Auffassung stand Deutschland nicht allein da. Eine ähnlich Tendenz spiegelt sich in den berühmten Afrikaromanen des Engländers Sir Henry Rider Haggard , dem Erfinder der Romanfigur Allan Quatermain, wider. Rechts: Diamantenminen von Afrika, 1888. Es handelt sich um die als Jugendbuch bestimmte deutsche Erstausgabe des unter dem Namen 'König Salomons Schatzkammer' bekannten Romanes.

Das deutsche Kolonialzeitalter dauerte nicht lange. Im ersten Weltkrieg gingen sämtliche Kolonien verloren und wurden nach der Niederlage 1918 unter den Siegermächten aufgeteilt.
In Deutschland war ein entscheidendes Element für die weitere Einstellung Schwarzen gegenüber die Tatsache, dass Belgien, Großbritannien und Frankreich farbige Truppen aus ihren Kolonien in Europa gegen deutsche Soldaten einsetzten und Frankreich, dem eine gewisse Neigung, den besiegten Gegner zu demütigen, nicht abgesprochen werden kann, farbige Soldaten zur Besetzung des Rheinlandes verwendete.
Schon im Krieg hatte Deutschland den Einsatz farbiger Kolonialtruppen als Gefahr für die europäische Kultur und Zivilisation angeprangert. Die Besetzung deutschen Gebietes (auch) durch Farbige löste in Deutschland unter den Schlagworten "Schwarze Schande" und "Schwarze Schmach am Rhein" eine Welle des Protestes aus, der sich auch ausländische Stimmen anschlossen.
Berichte von angeblichen Gewalttaten farbiger Soldaten und von sexuellen Übergriffen gegenüber Frauen führten zu einer weiteren Emotionalisierung der Situation.
Hatte man während der Kolonialzeit aus dem Gefühl der Überlegenheit heraus Schwarzen, wenn sie mit der Kolonialmacht kooperierten, sogar ein gewisses Wohlwollen entgegenbracht, wurde diese Einstellung nunmehr durch ein Gefühl der Abneigung überlagert. Denn es stellte für die ehemals stolzen deutschen Kolonialherrn eine schwer zu verkraftende Erfahrung dar, zumindest in den Besatzungsgebieten bis zu einem gewissen Grad unter der Herrschaft Schwarzer zu stehen.
Die Auffassung von der vergleichsweisen Minderwertigkeit der schwarzen Rasse wurde nun noch stärker betont, durch ein ausgeprägtes Element des Fremdenhasses ergänzt und mit einer sexuellen Komponente angereichert (vgl. das Bild unten rechts). Dieses Bild vom Schwarzen, das durch die Rassenideologie des dritten Reiches eine entsprechende dogmatische Ausformung fand, begann erst lange nach dem zweiten Weltkrieg zu verblassen und taucht im Rahmen der aktuellen Zuwanderungsproblematik wieder in den Köpfen auf.


Links und Mitte: Titelblätter der satyrischen Zeitschrift Kladderadatsch aus den Jahren 1915 und 1916, auf denen der Einsatz farbiger Kolonialsoldaten auf den europäischen Kriegsschauplätzen durch England und Frankreich angeprangert wurde.
Rechts: Medaille 1921, "Wacht am Rhein - Die schwarze Schande" von dem bekannten deutschen Medailleur und Bildhauer Karl Goetz (1875-1950). Aus Anlass der Besetzung des Rheinlandes (auch) durch schwarze Kolonialsoldaten.

Schwarze in der Kinder- und Jugendliteratur der Zwischenkriegszeit

Nach dem ersten Weltkrieg nahmen Schwarze keine besondere Stellung mehr im Deutschen Jugendbuch ein. Es gab zwar eine rückwärtsgewandte Kolinialliteratur, die sich aber mangels aktueller Bezüge auf Reiseberichte und Erinnerungen reduzierte.
Higegen traten in Kinderbüchern und Kinderzeitungen vermehrt Schwarze in Erscheinung, die klischeehaft, in karikierender Weise dargestellt wurden.


Oben links: Hatschi Bratschis Luftballon, Franz Karl Ginzkey. Das Buch erschien erstmals 1904 im Verlag Seemann, fand in der Zwischenkriegszeit weite Verbreitung und wurde zu einem Klassiker der deutschsprachigen Kinderliteratur. Die Abbildung zeigt eine Illustration zur sogenannte Menschenfresserepisode, die einer 'politischen Säuberung' zum Opfer gefallen ist und in Ausgaben ab den späten 60er Jahren fehlt. Inzwischen werden von Kinderbuchsammlern für ältere Ausgaben, welche noch die Originalversion enthalten, hohe Preise bezahlt.
Das Lied Zehn kleine Negerlein fand in der Zwischenkriegszeit als Kinderbuch in den verschiedensten Versionen Verbreitung. Oben mitte: Die zehn kleine Negerlein, Heinrich Hussmann, 1925
Oben rechts: Illustration aus Das Mampampe-Buch, Hermann Abeking, 1921
Unten: Registerleiste zu Zehn kleine Negerlein von Beatrice Braun-Fock, 30er Jahre.

Ein oft als besonders diskriminierend interpretiertes Beispiel ist diese Version der 10 kleinen Negerlein aus den 20er Jahren, deren neuntes Register statt eines Negerleins ein Äffchen zeigt.

Links:
Buribu, der Häuptling von Negropolis. Eine comicartige Bildgeschichtenserie, die in der Kinderzeitung Der Schmetterling erschienen ist. Häuptling Buribu's Begegnungen mit westlicher Kultur und Technik, Dinge mit mit denen er nichts anfangen kann, führen zu komischen Situationen.

Links:
Der lustige Urwald. Eine Bildgeschichtenserie, die in der Kinderzeitung Der Kiebitz erschienen ist. Schwarze werden in abschätziger Weise als ungeschickt, unwissend und dumm dargestellt.

Nicht ganz so drastisch, aber tendentiell auf der selben Linie die Kinderzeitschrift Der heitere Fridolin, Ullstein. Ganz links: Ein Titelblatt aus 1925; links: Foto von der Afrikareise eines Mitarbeiters der Zeitschrift: ...wie er von der Frau Negerpräsident (Liberia) und ihren Kindern begrüßt wurde...Es gab Heuschrecken in Lehmsoße mit Kokusnußkompott..

Links:
zehn kleine Negerlein, Ausgabe des Verlages von O. u. M. Hausser von 1920, die von dem anerkannten Jugendstilkünstler Richard Ernst Kepler, Maler und Illustrator, geb. 27. März 1851 in Stuttgart, gestaltet wurde (Bild links).

Links:
Abbildung aus dem Reklamebilderbuch der Bekleidungsfirma Bleyle Hänschen fliegt, vmtl. 30er Jahre.

In anderen weitverbreiteten Kinderzeitungen dieser Zeit wird das Thema "Neger" hingegen überhaupt auffallend konsequent vermieden. So beispielsweise in den mir zugänglich gewordenen Exemplaren der Kinderzeitungen Dideldum oder Die (Deutsche) Kinderwelt.

Eine Sonderstellung nimmt die Romanheftserie Rolf Torring ein, die zwar nicht für Jugendliche bestimmt war, wenn man aber vom Leserkreis ausgeht, sehr wohl zur trivialen Jugendliteratur gerechnet werden kann. Die Serie erschien von 1930 bis 1939 mit insgesamt 445 Einzelheften, wurde auch nach dem zweiten Weltkrieg mehrfach neu aufgelegt, nachgedruckt und durch neue Abenteuer ergänzt und zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Heftromanserien des deutschen Sprachraumes.
Den beiden weißen Abenteurern war ein riesiger Schwarzer mit Namen Pongo beigegeben, der sie auf all ihren Reisen begleitete. Pongo sprach seine beiden weißen Begleiter gefließentlich mit 'Masser' an - nicht mit ihren Vornamen, wie sie es unterander taten -, äußerte sich in abgehackter, rudimentärer Sprache und wurden von seinen weißen Gefährten als 'unser treuer, braver Pongo' bezeichnet. Soweit war die Sache in Ordnung und entsprach den Vorstellungen von der Stellung Schwarzer. Dieser Pongo rettete allerdings seinen beiden weißen Gefährten dutzendemale das Leben, war ihnen körperlich überlegen, erwies sich als findig, umsichtig, zuverlässig und kompetent und wurde oft genug als 'deus ex machina' eingesetzt um die Helden aus aussichtslosen Situationen zu befreien. Die kongenialen Titelbilder von Prof. Alfred Roloff zeigen einen sympatischen, athletischen, fast möchte man sagen 'schönen' Schwarzen.
Das entsprach nun gar nicht dem damals aktuellen Bild von Schwarzen und führte bei den Zensoren des dritten Reiches bis zur Einstellung der Serie bei Kriegsausbruch zu erheblichen Irritationen und Unmut.

Die Darstellung Schwarzer in der Kinder- und Jugendliteratur der frühen Nachkriegszeit

Nach dem zweiten Weltkrieg bis weit in die 60er Jahre ist weder ein breitenwirksames Umdenken in der Einstellung Schwarzen gegenüber festzustellen, noch änderte sich im Kinder- und Jugendbuch ihre bildliche Darstellung, die sich weiterhin an den tradierten, karikaturhaften Klischees orientierte.

Links: Ausschnitt aus der humoristischen Zeitschrift Der Liebe Augustin, Wien, 1949. "Sag Bosambo, hat die nicht süße Beine?" - "O ja! Direkt zum Fressen!" Neger und Menschenfresser gehörten zum Standardrepertoire der Witzezeichner.
Rechts: Mecki bei den Negerlein, Hammerich & Lesser, 1957. Einer der bekannten, von Prof. Wilhelm Petersen illustrierten Mecki - Bände.

Wie sehr diese Darstellungsmuster in den Köpfen verankert waren und geradezu unbefangen eingesetzt wurden, zeigen diese beiden Ausschnitte aus der Kinderzeitung Unsere Zeitung, die ganz gewiss nicht im Verdacht steht, rassistisches Gedankengut verbreitet zu haben.

Links 10 kleine Negerlein erschienen in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Krieg in zahlreichen Neuauflagen.
Mitte Illustration aus Aus meinen sieben Leben, Annelies Umlauf-Lamatsch, Zeichnungen Gerda Born;
Rechts das sechste Sonderheft der Micky Maus aus 1953

Erst ab etwa Anfang der 70 er Jahre änderte sich die Darstellungsweise deutlich. Die karikierende Betonung von Rassenmerkmalen (wenn man das so überhaupt sagen darf) wurde aufgegeben und schwarze Kinder wurden besonders niedlich, wie kitschige Negerpüppchen dargestellt.
Inzwischen wird jede Darstellung Schwarzer in Wort und Bild sehr kritisch betrachtet und es werden selbst dort, wo man es als unbefangener Beobachter nicht vermutet hätte, Anzeichen von Rassismus entdeckt und laut angeprangert. Das hat dazu geführt, dass die Darstellung Farbiger in der anerkannten Kinder- und Jugendliteratur zwar recht einseitig, dafür aber politisch höchst korrekt erfolgt.


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